Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Thomas Bruha offensichtlich sehr gut gefahren ist - ökonomisch betrachtet vermutlich zunächst einmal das beste. Damit will ich überhaupt nicht ausschliessen, dass es auch ohne den Binnenmarktdruck gute Gründe geben könnte, sich zumindest allmählich von der extremen Abhängigkeit vom Finanzdiensdei- stungswesen zu lösen. Der Grundtenor der soeben veröffentlichten Studie des St. Galler Zentrums für Zukunftsforschung über «Die Entwicklungs­ perspektiven des Fürstentums Liechtenstein» gibt insoweit zu denken,69 wenn sie auch - mir reichlic h unverständlich - das Banken- und Treuhand­ wesen aus ihrer Analyse weitgehend ausklammert.70 Man muss aber ein­ fach sehen, dass die liechtensteinische Prosperität bis heute in diesem Wirt­ schaftssektor wurzelt - und das seit Jahrzehnten mit wachsendem Erfolg.71 Ob alternative Nischen (unterstellt, es landen sich überhaupt welche) auf Dauer denselben Gewinn abwerfen werden, ist zumindest ungewiss. Andererseits - und dies schliesst die radikale status quo Lösung als rationale Strategie aus - würde Liechtenstein in diesem Fall die politische Isolierung, gerade auch seitens seiner Nachbarstaaten, drohen, die wohl nur erträglich wäre, wenn sich die Schweiz ähnlich antiintegrationistisch verhielte. Das ist aber eher unwahrscheinlich. Ich verweise nur auf den bisherigen Schlüssel­ begriff der schweizerischen Integrationspolitik, die permanente Herstellung der sogenannten Europafähigkeit,72 sowie den sich vorsichtig abzeichnen­ den Stimmungswandel im Land zugunsten einer gerade auch politischen Teilnahme am Aufbau Europas.73 Schlösse sich Liechtenstein diesem Prozess im grossen und ganzen nicht an, wäre die Kündigung des Zoll­ vertrages und damit die Aufgabe des wohlstandsfördernden Sonderver­ hältnisses zur Schweiz wohl die unvermeidbare Folge, früher oder 69 Nach Kneschaurek/Graf ist die liechtensteinische Volkswirtschaft an die Grenzen des Wachstums angelangt; vgl. auch die entsprechenden Bedenken Bundesrats Otto Stich bezüglich der «kritischen Grösse», die der schweizerische Finanzplatz erreicht hat («Mokkatassen-Effekt»), siehe NZZ vom 24. Januar 1990, 33. 70 Siehe dort die wenigen Hinweise auf S. 158ff.; kritisch auch Hilbe. 71 Siehe den Beitrag von Hubert Büchel in diesem Band. 72 D. h. die kontinuierliche Abstimmung der schweizerischen Gesetzgebung auf die EG- Standards (Ch-Integrationsbericht, 131 ff.). Siehe dazu den «Erfinder» des scheinbaren Paradoxons («Vermeidung des EG-Beitritts durch Herstellung der EG-Beitrittsfähig­ keit») Blankan; femer Thürer, Europaverträglichkeit, und Schindler u. a. 73 Siehe in diesem Zusammenhang auch den Kurswechsel der schweizerischen Neutralitäts­ politik durch die Teilnahme des Landes an den jüngsten Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Irak (Staatssekretär Klaus Jacobi in der NZZ vom 28. September 1990,22: «Akt eu­ ropäischer Solidarität»; ferner Schindler), denen sich auch Liechtenstein angeschlossen hat (Fürstliche Verordnung vom 10. August 1990, LGB1. 1990/47). 202
	        

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