Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Liechtenstein im Integrationsprozess nation gross. Allgemein ist der Vorwurf zu hören, Delors habe in seiner ersten Rede - vielleicht sogar bewusst taktisch - mehr versprochen, als er letzlich halten könne. Ich frage mich, ob diese harten Töne wirklich berechtigt sind. Wer Delors' erste Rede damals nicht isoliert, sondern im Kontext sonstiger offi­ zieller und offiziöser Erklärungen und vor allem mit Blick auf die grossen Entwicklungslinien der Europäischen Gemeinschaft verstanden hat, der wird die Offerte schon damals erheblich enger gedeutet haben. Mitzulesen waren - damals wie heute - drei Grundbedingungen47, die, den EFTA- Staaten förmlich mitgeteilt, seitens der Europäischen Gemeinschaft nie auf­ gegeben worden sind, nämlich: 1. absolute Priorität der Vollendung des EG-Binnenmarktes; 2. Wahrung der internen Entscheidungsautonomie der EG; 3. Ausgewogenheit von Rechten und Pflichten, von Nutzen und Kosten einer Partizipation der EFTA-Staaten am Binnenmarkt. Diese Maximen sprechen für sich. Statt frustriert den Vorwurf der Irrefüh­ rung zu erheben, sollte man deshalb, so meine ich, in der EFTA selbstkri­ tisch überlegen, ob man nicht zum Teil überzogenen Wunschvorstellungen aufgesessen ist und so einige unberechtigte Erwartungen aufgebaut hat. Ich selbst habe jedenfalls schon vor einem Jahr, im Rahmen der hier gehaltenen Vorlesung48, die Ansicht vertreten, dass eine auch nur indirekte Mitent­ scheidungskompetenz der EFTA-Staaten an den EWR-relevanten Teilen der Binnenmarktrechtsetzung - und was ist das eigentlich nicht - mit den Funktionsbedingungen des internen EG-Entscheidungsprozesses nicht in Einklang gebracht werden könne. Denn bekanntlich ist dieser erst jüngst durch die Einheitliche Europäische Akte auf Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat, erweiterte Rechtsetzungsbefugnisse der Kommission und ver­ besserte Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments umgestellt wor­ den.49 Diese supranationalen Errungenschaften von dem Funktionieren 47 Sog. Interlaken-Prinzipien formuliert von EG-Kommissar Willy de Clerq bei seinem Treffen mit den EFTA-Ministern am 20. Mai 1987 in Interlaken. Siehe die gemeinsamen Schlussfolgerungen des Treffens in Europa-Archiv, Bd. 43, 1988, D 365f.; dazu auch Krenzier, Zwischen Protektionismus und Liberalismus, 247. 48 Siehe Anm. 21. 49 Siehe zur institutionellen Reform de Ruyt, 111 ff. 195
	        

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