Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Thomas Bruba Arbeitskapazitäten nicht mehr als unbedingt erforderlich binden, das heisst, man möchte möglichst schnell zu möglichst rasch verlaufenden Verhand­ lungen kommen. Zum anderen möchte man in einer Zeit, in der praktisch jeder Tag neue Entwicklungen fundamentaler Art mit sich bringt, die Reak­ tionsfähigkeit und Entscheidungsautonomie der Europäischen Gemein­ schaft so wenig wie möglich, am besten gar nicht, durch Verträge mit Dritt­ staaten beeinträchtigen. Genau in diesem Punkt aber haben sich diametrale Meinungsverschie­ denheiten zwischen der Gemeinschaft und den EFTA-Staaten aufgetan. Orientierungspunkt der Hoffnungen und Erwartungen der EFTA- Staaten war bislang die berühmt gewordene Rede Kommissionspräsident Delors' vor dem Europäischen Parlament im Januar 1989, in der er den engen Freunden, den «tres proches amies» der EFTA-Länder, eine «strukturier­ tere Form der Zusammenarbeit mit gemeinsamen Entscheidungs- und Verwaltungsorganen» vorgeschlagen hatte.45 Diese Anregung wurde im Lager der EFTA-Staaten als Handreichung zur Eingehung einer auf echter Co-Dezision aufbauenden, privilegierteren Form der Assoziation verstan­ den. Mittlerweile sind diese Hoffnungen und Erwartungen aber stark gedämpft worden. In seiner nicht minder berühmten Rede vor dem Euro­ päischen Parlament im Januar dieses Jahres hat Delors die ausdrückliche Einschränkung gemacht, dass ein auf Beeinträchtigung der Entscheidungs­ autonomie der Europäischen Gemeinschaft hinauslaufender EWR-Ent- scheidungsprozess überhaupt nicht in Frage komme.46 Jetzt ist die Konster­ 45 Wörtlich (in deutscher Übersetzung) hat Delors den EFTA-Staaten als Alternative vor­ geschlagen «entweder im Rahmen der derzeitigen, faktisch im wesentlichen bilateralen Beziehungen fortzufahren, um schliesslich zu einer Freihandelszone zu gelangen, die die Gemeinschaft und die Lander der EFTA umfasst, oder aber eine neue Form des Zusam­ menschlusses zu finden, der institutionell strukturierter wäre und gemeinsame Entschei­ dungs- und Verwaltungsorgane hätte, um die Effizienz unseres Vorgehens zu vergrös- sem. Dies würde auch die politische Dimension unserer Zusammenarbeit im wirtschaftli­ chen, sozialen, finanziellen, ja kulturellen Bereich in den Vordergrund rücken» (Orientie­ rungen, 20). 46 Siehe Delors, Einleitung, 10: «Vor einem Jahr schlug ich den EFTA-Ländern in diesem Hohen Hause vor, unsere Beziehungen besser zu strukturieren und auf eine breitere Basis zu stellen, als dies im Rahmen unserer derzeitigen Assoziierung möglich ist... Aber ich möchte diesen Ländern gegenüber ganz offen sein, wie man es unter Freunden sein kann: Es geht um den Entscheidungsprozess. Es bedarf einer Osmose zwischen der Gemein­ schaft und der EFTA, die gewährleistet, dass deren Interessen bei der Ausarbeitung wesentlicher Gemeinschaftsbeschlüsse und Entscheidungen berücksichtigt werden. Ein gemeinsamer Entscheidungsprozess ist jedoch nicht möglich, da sich dieser nur aus einem Beitritt, d. h. der Anerkennung des gesamten «Ehevertrags», ergeben kann.» 194
	        

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