Volltext: Liechtenstein: Kleinheit und Interdependenz

Gerard Batliner beschwerde, ist aber über den österreichischen Typus hinaus gegangen.48 Wenn verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte im Spiel sind und kein Weiterzug an ein Verwaltungsgericht besteht, kann in Österreich gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden Beschwerde an den Verfassungsge­ richtshof erhoben werden. Dagegen wird die Rechtsanwendung durch die (obersten) österreichischen Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte als genü­ gende Absicherung auch der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte 48 Art. 144 Abs. 1 B-VG. Art. 104 Abs. 1 Verf; Art. 11 Ziff. 1 und Art. 23 (jetzt geänderte Fas­ sung in LGB1 1982/57). Zur Geschichte der verfassungsrechtlichen Individualbeschwerde (vom Typus des Rechtsmittelzuges an den US-Obersten Gerichtshof und der staatsrecht­ lichen Beschwerde an das schweizerische Bundesgericht abgesehen): Im Ansatz hatte schon die Paulskirchenverfassung vom 28.3.1849 (vgl. oben Anm. 2) ein Reichsgericht für «Klagen deutscher Staatsbürger wegen Verletzung der durch die Reichsverfassung ihnen gewährten Rechte» (§ 126 Et. g) vorgesehen. Es blieb beim Buchstaben. Vgl. dazu Kühne, 198 ff. Mit österreichischem Staatsgrundgesetz vom 21.12.1867 (öRGBl Nr. 143/ 1867) über die Einsetzung eines Reichsgerichtes wurde diesem die endgültige Entschei­ dung «über Beschwerden der Staatsbürger wegen Verletzung der ihnen durch die Verfas­ sung gewährleisteten polirischen Rechte» übertragen (Art. 3 lit. b), das indessen nur Fest­ stellungsurteile fällen und den verletzenden Akt nicht aufheben konnte; vgl. Ermacora, Felix (Osterreichische Verfassungslehre, Wien 1970,389; Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, Wien 1963,1 ff.), dem ich zahlreiche freundliche Hinweise ver­ danke. Bayern schien dem Verfassungsbuchstaben nach im Rahmen seines Landesrechts dem liechtensteinischen Modell am nächsten zu kommen. Nach § 93 Abs. 1 der Verfas­ sungsurkunde des Freistaates Bayern vom 14.8.1919 (bayGVBl 531 ff.) sollte jeder Staats­ angehörige und jede juristische Person mit Sitz in Bayern das Recht der Verfassungsbe­ schwerde an den Staatsgerichtshof haben, «wenn sie glauben, durch die Tätigkeit einer Behörde in ihrem Recht unter Verletzung der Verfassung geschädigt zu sein», und zwar dann, «wenn vorher ohne Erfolg beim Ministerium um Abhilfe nachgesucht worden oder der Rechtsweg erschöpft ist». Nawiasky leitete aus den Worten «der Rechtsweg erschöpft ist» ab, dass damit auch Verfassungsverletzungen durch ein Gericht vor den Staatsge­ richtshof gerügt werden könnten, wobei der Staatsgerichtshof durch Feststellungsbe- schluss entscheiden würde; Nawiasky, Hans, Bayerisches Verfassungsrecht, München 1923, 451 ff., 457 ff. Tatsächlich aber waren nach ständiger Praxis des Staatsgerichtshofes Beschwerden gegen Gerichtsentscheidungen ausgeschlossen, und die Verfassungsbe­ schwerde hatte nur eine beschränkte Bedeutung; dazu Kreuzer, Karl, Vorlaufer der Ver­ fassungsgerichtsbarkeit im süddeutschen Konstitutionalismus, in: EuGRZ 1986, 98; Schumann, Ekkehard, Verfassungsbeschwerde (Grundrechtsklage) zu den Landesverfas­ sungsgerichten, in: Starck/Stem (Hrsg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Teilbd. II, Baden-Baden 1983,176 f.; Boulanger, Werner, Die geschichtlichen Grundlagen der heuti­ gen Verfassungsbeschwerde, Diss. Heidelberg 1954, 20 ff. Durch Art. 144 Abs. 1 B-VG vom 1.10.1920 schliesslich wurde der österreichische Verfassungsgerichtshof zur Behandlung von Beschwerden wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte eingesetzt, insofern sich die Beschwerden gegen verwaltungsgerichtlich nicht anfechtbare Bescheide der Verwaltungsbehörden richtet. Der österreichische Verfas­ sungsgerichtshof urteilt kassatorisch (Art. 144 B-VG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 des Verfassungsgerichtshofgesetzes; vgl. Klecatsky/Öhlinger, Gerichtsbarkeit des öffentli­ chen Rechts, Manz Grosse Gesetzausgabe, Wien 1984, 495 ff. 112
	        

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