Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1992) (30)

Liecht. Umweltbericht, November 1992 Seite 3 Wäre unser Land unbesiedelt, so würde sich der Rhein frei verzweigt zum Bodensee schlängeln, würde Auenwälder überfluten, Schilf und Sümpfe entstehen lassen, während die Hänge bis zur oberen Wald- grenze mehr oder weniger mit Bäumen bestockt wären, ab und zu von einer Rüfe geteilt Das heutige Landschaftsbild ist hingegen wesentlich durch jahrhundertelange Einwirkungen der bäuerlichen Gesellschaft entstanden. Damit einher ging ein Verlust an natürlicher Dynamik, an- dererseits sind aber auch artenreiche, vielfältige Landschaftsformen neu entstanden. Viele für Tiere und Pflanzen bedeutende Le- bensräume waren zwangsläufig Nebener- scheinungen der traditionellen Landwirt- schaft. Ohne den heute möglichen Einsatz von Maschinen, Traktoren, Kunstdüngern und Pflanzenschutzmitteln erfolgte die Nut- zung des Bodens notgedrungen weniger in- tensiv. Auf diese Weise entwickelten sich Magerwiesen an den nährstoffarmen Hän- gen, die heute als botanische Juwele betrach- tet werden. Im Ried mit hohem Grundwas- serstand War die Streue- und Torfnutzung vorherrschend, bis die perfektionierten Drai- nagemassnahmen diesen Biotoptyp zur Ra- ' rität werden liessen. Die Riedgräben als Vor- läufer der heutigen unterirdischen Entwässe- rung stellten noch Lebensraum für eine Viel- 
falt an Amphibien und anderen wasserge- bundenen Lebewesen dar, welche ihrerseits auf dem, Speisezettel mancher Vögel und Säugetiere standen, die heute vom Ausster- ben bedroht sind oder bereits klaglos unsere Region verlassen haben. Naturreichtum der traditionellen Landwirtschaft Was  heute Bier und Bananen sind, waren früher Most und frische oder gedörrte Äpfel. Und so säumten denn ausgedehnte Obstgär- ten mit alten angepassten Obstsorten jedes 
Naturschutz = Heimatschutz Die traditionelle bäuerliche Kultur- landschaft legt ein kulturelles, Land- schaft gewordenes Zeugnis der Lebens- und Arbeitsweise unserer Vorfahren ab. Jedes Streuried, jeder Bongert, jede Trockenmauer, jeder Feldweg, jede Ma- gerwiese erzählt eine Geschichte, öffnet die Sicht auf vergangene Tage. Diese Biotoptypen sind heute wirtschaftlich weitgehend überflüssig geworden, wes- halb sie allzu leicht ins gesellschaftliche Abseits geraten. Der Naturschutz kämpft für deren Erhaltung; die hei- matkundliche Bedeutung ist jedoch noch zu wenig erkannt. Wieso müssen diese Natur- und Kulturgüter leise ver- schwinden, um sie dann erst in Museen wieder hochleben zu lassen?.   Dorf und jeden Hof. In einer Verzweiflungs- aktion der Organisation FRUCTUS wird versucht, diese alten Obstsorten kurz vor ihrem leisen Aussterben zu erhalten. Es gäbe noch mehr zu erwähnen: die Trockenmauern und Steinlesehaufen, die Hecken, die schonend genutzten Alpweiden, die periodischen Katastrophen, die aus der Sicht der Natur Chancen für einen Neube- ginn sind. Sicherlich hatten auch die Bauern von früher ein unmittelbares Interesse daran, einen möglichst grossen Ertrag zu erwirtschaften. Dies belegen nicht nur die geschichtlich fest- gehaltenen Hungersnöte, sondern auch ver- schiedene Auswanderungswellen. Aber erst die modernen technischen Errungenschaften ermöglichten es, die Erträge massiv zu stei- gern, den Boden produktiver zu machen. Verlierer im grossen Stil ist dabei die Natur. Die erwähnten landschaftlichen Nebeneffek- te der traditionellen Landwirtschaft stehen heute praktisch allesamt in Existenznot. Dies ist nicht nur aus naturschützerischer Sicht bedauerlich, sondern ebenso in Bezug auf die Erhaltung des kulturellen Erbes. Mit je- dem Streuried, mit jedem hochstämmigen Obstgarten stirbt ein Kulturgut, das Land- schaft geworden ist. Landwirtschaft braucht unsere Unterstützung Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA hat an ihrer Tagung im Oktober 1991 öffentlich die Frage aufgeworfen, was uns die Erhaltung der traditionellen bäuerlichen Kulturlandschaft wert sei Diese Frage muss
	        

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