Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1989) (26)

Die natürliche Luft besteht zur Hauptsache aus Stickstoff und Sauerstoff (79% Stickstoff 20 % Sauerstoffl. Der Zustand der natürlichen, von Menschen nicht beeinflussten Luft hat sich durch die Ansammlung von Luftfremdstoffen wie Gasen, Stäuben, Dämpfen oder Wärme verändert. 
Seite 24 Liecht. Umweltbericht, Dezember 1989 zeichnen. Das Ozon ist also für uns Menschen nützlich und schädlich zugleich, was übrigens für viele Stoffe, wie z.B. die berüchtigten Schwermetalle gilt. In der richtigen Menge sind Schwermetalle nicht giftig, sondern wert- volle Spurenelemente in der Nahrung' Schon Paracelcus erkannte diesen Sachverhalt und prägte den heutzutage vielbemühten Satz «dosis solus facit venenum», der für das Ozon in dem Sinn zu erweitern ist, dass nicht nur die Menge die Giftigkeit eines Stoffes aus- macht, sondern auch sein Aufenthaltsort über Schädlichkeit bzw. Nutzen entscheidet. (Im Vortragsmanuskript folgt nun eine Passa- ge über die Entstehung des Ozons, die Zer- störung der Ozonschicht in den äusseren Schichten der Atmosphäre und dem daraus resultierenden Treibhauseffekt. Wohlmuth geht dann weiter auf die unkalkulierbaren Risiken der menschgemachten Einwirkung auf die Zusammensetzung der Luft, auf deren Wiedergabe Wir aus Platzgründen verzichten müssen. Nach der Feststellung, dass der Preis für die hohen Energieflüsse die zunehmende «Unordnung» des Planeten Erde, die wir jetzt als Umweltproblematik erleben, ist, wendet sich Wohlmuth der Zukunft zu.) Blick in die Zukunft Nach dieser groben Diagnose des Ist-Zustan- des und Erklärungsversuchen dafür, wie die Menschheit dorthin gelangt ist, stellt sich na- turgemäss die Frage, was wir tun können und sollen und welche Zukunftsperspektiven sich eröffnen. Zunächst einmal muss klar werden, dass eine Prognostizierbarkeit der Zukunft unmöglich ist, obwohl dies im Laufe der Ge- schichte immer wieder, auch von hervorra- genden Denkern, versucht wurde. Den ein- drücklichsten Beweis dafür liefert die Argu- mentation von Sir Charles Popper: 
  1.) Der Gang der Geschichte wird durch na- turwissenschaftliche Entdeckung und deren technische Anwendung nachhaltig beein- flusst, wofür sich unzählige Beispiele anfüh- ren lassen, wie Kompass, Buchdruckerkunst, Schiesspulver, Dampfmaschine, Elektrizität, Kernspaltung, Elektronik, Gentechnologie usw. 2.) 
Kein Mensch ist in der Lage, heute schon mit Sicherheit vorauszusagen, welche Entdek- kungen und Erfindungen die Menschheit noch machen wird, denn sonst würde man dies bereits jetzt tun. Aus diesen beiden unwiderlegbaren 
 Prämis- sen lässt sich nach klassischer, aristotelischer Logik der Schluss ziehen, dass 3.) kein Mensch die Entwicklung unserer Zi- vilisation prognostizieren kann. Der Optimist, der zu wissen glaubt, dass das Abenteuer Menschheit gut ausgehen wird, wie auch der Pessimist, der vom Gegenteil überzeugt ist, sind beide Fatalisten, was of- fensichtlich ein gefährlicher Irrtum ist, weil nämlich Rückkoppelungen zwischen einem möglichen Ereignis und seiner Prognose be- stehen. Die positive Rückkoppelung führt zur «seif fullfilling prophecy» und die negative zur «self destroying prophecy». Als einfache Bei- spiele lassen sich Ankündigungen anführen, die vor einer bevorstehenden Benzinknapp- heit warnen, weshalb jeder noch schnell sein Auto auftankt, sodass der Treibstoffmangel dann tatsächlich auch eintrifft. Genau gegen- teilig wirkt sich die Durchsage 
aus, dass ein bestimmter Pass in naher Zukunft mit Autos verstopft sein wird, weil fast alle Autolenker 
diese Stelle meiden werden. An diesen Bei- spielen wird schon deutlich, dass Monokausa- lität eben nur eine Näherung ist, die eben oft die Wirklichkeit nicht zutreffend beschreibt. Wenn man auf vernetztes Denken verzichtet und beim einfachen Ursache-Wirkung-Modell verharrt, können sich merkwürdige Zustände ergeben, wie z.B. folgende: Eine Ehefrau nörgelt, weil der Mann im Gast- haus zuviel trinkt, und der Mann wiederum trinkt zuviel, 
weil seine Frau ständig nörgelt. Eine analoge Vermischung von Ursache und Wirkung, deren Folgen schon gravierender sind, liegt beim Wettrüsten vor, wobei jede Seite ihre Anstrengung vergrössern muss, weil die andere Seite sonst die Überlegenheit erlangt. Den Formenreichtum erhalten Aus all diesen Ausführungen geht hervor, dass jedes Lebewesen, jedes Biotop, ja sogar Atmosphäre, Hydrosphäre, Lithosphäre, Biosphäre und Noosphäre, ein von Teilhard de Jardin geschaffener Begriff für das weltum- spannende, kollektive Bewusstsein,' ein voll- ständig vernetztes Kontinuum ist, das in sei- ner Gegenwart alles enthält, was ihm voraus- gegangen ist und ebenso alle Möglichkeiten in sich birgt, die in der Zukunft sich entfalten können. Worüber sich alle Menschen einig werden sollten, ist das Bestreben, den Plane- ten so zu erhalten, dass sich das Leben in seinem ganzen Formenreichtum weiter entfal- ten kann. Die dazu notwendigen Rahmenbe- dingungen lassen sich ohne Zuhilfenahme der Naturwissenschaften weder erkennen noch bewahren. Die auch heutzutage bereits über alle ideologischen und religiösen Barrieren' hinweg einigende Kraft der Naturwissenschaf- ten würde dann eine noch wesentlich weitrei- chendere werden. Die Naturwissenschaften liefern zwar keine absoluten Wahrheiten, son- dern nur Modellvorstellungen, die aber der Wirklichkeit doch immerhin so nahe kom- men, dass die Menschheit so mächtig gewor- den ist, diesen Planeten zu zerstören. Es bleibt zu hoffen, dass das Überleben aller Kreaturen auf humane Weise im Raumschiff Erde gesichert wird. Rückbesinnung tut not Die paradiesische Einheit des Menschen mit der Natur ist unwiderruflich verloren gegan- 
gen, seit der Mensch sich selbst als etwas Eigenes und von der Natur Abgetrenntes er- kennt. Doch nahezu alle Menschen tragen den Wunsch nach einer heilen Welt, einem gelobten Land oder einem ähnlich mythischen Bild in sich, und in dieser Rückbesinnung auf die religiösen Wurzeln und deren Anwendung auf alle Insassen des Raumschiffes Erde, liegt auch eine bedeutende Chance. Eine Art reli- giöse Auseinandersetzung mit der Natur war in der abendländischen Kultur als Alchemie,   einstmals fest etabliert, und noch heute erin- nert der Wortschatz der modernen Chemie an diese Zeit.' Kaum jemand bedenkt, dass sich z. B. das Wort «Materie» von mater, was la- teinisch Mutter bedeutet, ableitet oder das Wort «hermetisch» mit den griechischen Gott Hermes in Verbindung steht. Ebenso haben die Wörter Konzentration und Lösen ihre my- thische Bedeutung vollständig verloren. Die Alchemie wurde aber als Ketzerei' auf das schärfste bekämpft, weil nach der gängigen Vorstellung Gott den Menschen erlöst und nicht irgendwelche Gottheiten aus Stoffen «gelöst» werden. Manche moderne Theolo- gen lassen aber heutzutage die Interpretation zu, dass sich auch in der Evolution Gott offen- bart, und daran kann der Mensch aktiv teil- nehmen. Es soll an dieser Stelle beileibe nicht irgend- welchen Irrationalitäten das Wort geredet, sondern lediglich auf den alles entscheiden- den Punkt hingewiesen werden: Solange die Menschheit das Raumschiff Erde nur als Selbstbedienungsladen, als Werkzeug, als Maschine, als etwas Nützliches oder Aus- zubeutendes betrachtet, wird sich an ihrem Verhalten nichts ändern. Erst wenn eine wirk- liche Achtung vor der Natur, also eine Art neue, religiöse Beziehung entstanden ist, — so glaube ich —, kann die Menschheit die Bedin- gungen herstellen, die ein humanes Überle- ben aller Insassen des winzigen 
Laborato- riums und Raumschiffes Erde ermöglichen. ■ I Amtliche Nachrichten, Arbeit — Gesundheit - Soziales. Sondernummer 1 vom 31. März 1988 2 Das Elend des Historizismus  Karl R. Popper. 1957, im Vorwort zur englischen Ausgabe 3 Revue des Questions Scientifiques, Jänner 1947, S 7-35 4 Atalanta fugiens, Michael Maier, 1617
	        

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