Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1989) (26)

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Liecht. Umweltbericht, Dezember 1989 Erdgeschichtliche Grundlage der Lebensräume am Beispiel des Alpenrheintals Mit 8 km Breite durchbricht das Tal des Alpenrheins zwischen dem Ausgang des Walgaus und dem Bodensee den Gebirgskörper der Alpen. Es ist damit das breiteste Tal in den gesamten Alpen, in der Mitte des Alpenbogens in seiner Aussenkrümmung zwischen den West- und Ostalpen gelegen. Walter Krieg, Dornbirn Die geologischen Strukturen durchbricht es schräg: Die Ostalpen, hier die Nördlichen Kalkalpen, finden hoch oben an den Drei- schwestern ihr Westende, aber die Westalpen — im Süden der Flysch und im Nordteil das Helvetikum — stehen zu beiden Seiten des Tals an. Zum Tal hin fallen die Achsen der Faltenzüge an beiden Talflanken recht steil ab, sodass die gleichen Falten, die den Hohen Kasten und den Breitenberg aufbauen, im Tal selbst nur noch als «Inselberge» die Verhül- lung durch das junge Schwemmland an eini- gen Stellen durchbrechen. Eine Bohrung in Hohenems stiess sogar erst in 592 m Tiefe, also 180 m unter dem heutigen Meeresspiegel, auf Festgestein. Es muss also ein sehr altes Tal sein. Die nördlichsten Faltenketten des Helvetikums hatten auf ihrem gebirgsbildenden Schubweg, der nach Nord gerichtet war, schon am Ende des Mesozoikums in einer sehr tiefen Lage in ihm Platz genommen. Ähnliches widerfuhr der Molassezone im Bo- denseegebiet, die zwischen dem St. Galler Bergland und dem Pfänder ebenfalls nur die Taltiefe einnimmt und nur in einigen Insel- bergen, so im Felshügel der Riedenburg in Bregenz, den Tag sieht. Spuren der Gletscher Dieses tiefe, alte Tal wurde im Eiszeitalter von den mächtigen Gletschermassen über- formt: Oftmals schürften Rhein- und Illglet- scher den Talflanken entlang, übersteilten die Hänge (was dann zu beträchtlichen Bergstür- 
zen vom Hohen Kasten und vom Breitenberg) führte, und in den Zwischeneiszeiten füllten Ur-Bodenseen das Tal. Übertiefung als Folge der gewaltigen Eislast und der Gletscherero- sion formte hier ein Zungenbecken, in dem am Ende der letzten Kaltzeit noch lang die Eismasse lag, als die Seitentäler schon eisfrei geworden waren und Wasser, Schlamm und Schotter lieferten. Weil der Abfluss im Haupttal noch versperrt war, bildeten sich in den Seitentälern grosse Stauseen, und der Abfluss gelang nur in Schluchten, die sich entlang dem Eisrand an den Talrändern bilde- ten. Für diese heutigen Trockentäler sind Hir- schensprung, Mattions und St. Arbogast schö- ne Beispiele. Schliesslich entstand nun in der Späteiszeit neuerlich ein grosser Bodensee, der wohl bis Ragaz hinaufreichte. Seine Wellen spülten bei Götzis sogar eine grosse Uferhöhle aus, in seinen Tiefen verschwanden die Schutthal- den, die sich an den felsigen Talrändern bilde- ten. Der erste Wald (Föhren und Eichen, von denen sich in Rankweil-Brederis eindrucks- volle Reste in einem Baggersee in 16 m Tiefe fanden) wuchs auf, und zwar schon auf den ersten grossen Schwemmkegeln, die nun an allen Bachmündungen (und auch vom Rhein selbst) in den See geschüttet wurden. Der grösste von allen war wohl der Illfächer zwi- schen Altenstadt und Meiningen. Sein fester Boden war bereits in der Antike besiedelt und wurde — als «Weitried» — bald zum bevorzug- ten Bauernland. In unserem Jahrhundert ent- wickelte sich deshalb gerade hier die Kies- gewinnung, die zu einer Baggerseenland- schaft führte. — Nahezu alle randlichen Schwemmflächen tragen heute Besiedlung: Seit 1000 Jahren stehen diese alten Orte «im 
Trockenen», obwohl sie von verderblichen Murgängen der Seitenbächen gefährdet wur- den. Es war aber besser als die Weite des Rheintals selbst. Nacheiszeitliches Alpenrheintal Das nacheiszeitliche Alpenrheintal war wohl ein Gewirr von Seen, die in allen Stadien der Verlandung begriffen waren. Die Trübe der Hochwässer setzte sich als Schlamm, als nahe- zu wasserdichter Seeton und Laufletten ab, und in der Stille der Seen wuchsen torfbilden- de Pflanzenarten auf: Die organogene Ver- landung begann und führte zur Ausbildung mächtiger Torflager mit dicntem Untergrund. Das siedlungsfeindliche, immer mehr auch durch oberflächlich stehendes Tagwasser ge- kennzeichnete Flachmoor des Rheintals hätte sich wohl zu Bruchwäldern entwickelt, wenn nicht die Nutzung als Streuwiesen eingesetzt hätte. Denn Streue war in der benachbarten Berglandschaft immer Mangelware. — Torfsti- che wurden zum Eigengebrauch betrieben. Kulturlandschaft entsteht Als hochwassergefährdete Heimat konnte der Mensch im eigentlichen Talbereich wohl nur die Schotterstränge entlang von Flüssen und Bächen nutzen. In solchen Lagen entstanden Lustenau oder Hard. Auch von hier aus konn- te «das Ried», das im Gemeinbesitz stand, extensiv genutzt werden. Seine Streuwiesen waren durch Solitärbäume parkartig geglie- dert: Die anspruchlosen Föhren trotzen dem nassen Untergrund, die Eichen waren — auch — für die nebenbei (vor allem im Lauteracher Ried) betriebene Schweineweide wichtig. So entstand eine mosaikartig gegliederte Kul- turlandschaft: Waren die zentralen Talteile vorwiegend Torf und Ried mit extensiver Nutzung, mit hohen Grundwasserständen und oft stehendem Tagwasser, unbesiedelt, hoch- wassergefährdet und verkehrsmässig kaum er- schliessbar, mit zahlreichen Seen bis ins letzte
	        

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