Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1988) (23)

Seite 2 Liecht. Umweltbericht, März 1988 Verkehrsplanung -ein Vaduzer Phänomen? Wir haben Hubert Ospelt (Dipl. Architekt ETH-SIA) gebeten, seine Ideen zur Vaduzer Verkehrsplanung vorzustellen. Hubert Ospelt ist ein Gegner einer neuen Umfahrungsstrasse. Durch geeignete planerische Massnahmen kann nach seiner Meinung der Verkehr auf dem bestehen- den Strassennetz abgewickelt werden. Hubert Ospelt, Vaduz Vorweg, ich bin als Architekt mit den Belan- gen der Ortsplanung und somit auch mit Ver- kehrsfragen konfrontiert. Ich verstehe mei- nen Beitrag nicht als Expertise. Expertisen beruhen auf Normen, welche sich auch in der Verkehrsplanung als äusserst flexibel erwie- sen. Ich denke an die Redimensionierung von Strassenbreiten und Kurvenradien und dies trotz Verkehrszunahme, oder an die Baumal- leen. Der Wandel vom Risikofaktor zum wie- derentdeckten Gestaltungselement. Was sich jedoch beharrlich hält, sind die Prognosen vom baldigen Verkehrszusammenbruch, wo- bei zu definieren wäre, was wer, wann und wo als solches bezeichnet. Doch sind wir uns einig, wir mögen ihn nicht, den Stau! Bis anhin kam es zur Anwendung der klassi- schen, wissenschaftlichen Lösung der Ver- kehrsprobleme, die da lautet: Verkehrszäh- lung, Auswertung, Prognose und die übliche Schlussfolgerung nach neuen und besseren Strassen. Ein paar Jahre später kann das Spiel von vorne beginnen. Auf die Medizin bezo- gen, hiesse dies, anhaltende Kopfschmerzen mit Aspirin zu behandeln. Ein Fallbeispiel zum Thema technische Verkehrslösung: Auch die wohl autofreundlichste Stadt Los Angeles mit ihren x-spurigen Stadtautobahnen erstickt im eigenen Stau, vielleicht auch am Smog. Mit anderen Worten, Verkehr ist nicht gottge- geben, er ist keine ursächliche Grösse, Ver- kehr ist eine Folgeerscheinung verschiedenar- tigster Umstände. Die Frage kann nicht dar- auf beschränkt werden, wie wir das Verkehrs- aufkommen reduzieren können. Die Sünden der Zonierung Um etwas weiter auszuholen, sei auf die histo- rische Entwicklung hingewiesen. Seit dem Einsetzen der Industrialisierung wurden die Wohn-, Arbeits- und Freizeitstätten fortwäh- 
rend stärker getrennt. Ein Phänomen, im Fachjargon als Funktionsentmischung be- zeichnet. Obwohl sich seit längerer Zeit nega- tive Begleiterscheinungen wie z. B. die Ent- wicklung trister Schlafagglomerationen und temporärer Geisterstädte, offenbarten, kann mittlerweile festgestellt werden, dass jede einigermassen fortschrittliche Gemeinde Mit- teleuropas auf einen farbenprächtigen Zonen- plan verweisen kann. Ein Instrumentarium, welches konsequent verhindert, dass sich noch irgendwo jene ur- bane Vielfalt erhalten oder entwickeln könn- te, welche wir auf Ferienreisen so bewundern. Als weitere Folgeerscheinung dieser Funk- tionsentmischung — und dabei wären wir beim Thema — muss die drastische Zunahme insbe- sondere des Berufspendler- und Freizeitver- kehrs betrachtet werden. Denn Mobilität ist immer mehr gefordert und im Zuge der Ent- wicklung der Automobilindustrie auch er- schwinglich. Massnahmen zur Verkehrsreduktion Soweit ein kleiner exemplarischer Exkurs in Richtung Ursachenerforschung. Wie er- wähnt, ist als erster Schritt, und dies nicht nur bei der Problemstellung Verkehr, eine umfas- sende Analyse der ursächlichen Aspekte einer Problematik erforderlich. Auf dieser Grund- lage soll ein Massnahmenpaket erarbeitert werden, welches problemverhindernde Struk- turveränderungen bewirkt. Ein begleitender Massnahmenkatalog zur Entschärfung der Verkehrsproblematik könnte im ortsplaneri- schen Bereich beispielsweise folgende Forde- rungen beinhalten: Mindestwohnungsanteil in Dienstleistungszentren (Funktionsmischung), Limitierung der Parkplätze im Zentrumsbe- reich. (Es wäre anzumerken, dass bei solchen Forderungen auch die öffentlichen Träger- schaffen nicht ausgenommen sind). Im weite- 
ren könnte ein Konzept zur maximal vertret- baren Dezentralisierung der Verwaltungsbe- triebe erarbeitet werden. Nochmals, das Phänomen Verkehr ist zu komplex, als dass wir es der Statistik allein überlassen können. Trotzdem ist es als weite- re Massnahme absolut erforderlich, dass wir, vor allem im Bereich der bestehenden Infra- struktur, die technischen Möglichkeiten opti- mal einsetzen. Betrachten wir vorerst den öf- fentlichen Verkehr, welcher den prozentual möglichen und sinnvollen Leistungsanteil si- cher noch nicht erreicht hat. Wenn auch der Versuch mit dem Nulltarif als Trendwende zu deuten ist, der Beigeschmack vom Weg des geringsten Widerstandes bleibt, nachdem uns eine finanzielle Problemlösung relativ leicht fällt. Was uns fehlt, ist die grössere Attraktivi- tät des öffentlichen Verkehrs, wobei unter dieser Voraussetzung der Tarif -auch etwas kosten dürfte. Auch in diesem Zusammen- hang ist die Orts- und Landesplanung aufge- fordert, Begleitmassnahmen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs zu erarbeiten. Ich denke an ein sicheres und einladendes Fuss- wegnetz, wie auch im Detail an die Ausgestal- tung der Haltestationen. Aber auch die lan- desweite Entwicklung zur Streusiedlung als Folge einer völlig überdimensionierten Einzo- nierungspolitik (geschätztes Potential für ca. 100 000 Einwohner), ist einem rationellen öf- fentlichen Verkehrsnetz kaum förderlich. Auch die vorprogrammierte Zunahme des Verkehrsaufkommens schlechthin muss als kontraproduktiv bezeichnet werden. Neue Verkehrsmittel — eine Utopie? Unter der Voraussetzung, dass mittelfristig sämtliche unterstützenden ortsplanerischen Begleitmassnahmen ergriffen werden, sollten., doch zwingend einige alternative öffentliche Verkehrsträger zumindest ernsthaft geprüft werden. Wir können immerhin auf Studien aufbauen, welche auf private Initiative hin erarbeitet wurden (Arch. Heinz Frick, Rug- gell). Die Situierung des grössten Teils unse- rer Gemeinden entlang einer Längsachse muss doch als Idealfall bezeichnet werden. Gerade in Vaduz könnten die Bandbreiten
	        

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