Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1988) (23)

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Liecht. Umweltbericht, März 1988 Fliessen in Vaduz dereinst wieder Bäche? Verbaute Bäche wieder beleben — im Kanton Zürich wird ein Revitali- sierungsprogramm für Fliessgewässer ausgearbeitet. Ein Zürcher Quar- tierverein wünscht sich, dass verdolte Bäche wieder an die Oberfläche geholt werden; eine interdisziplinäre Gruppe für Wasserbau im Kanton Zürich gehört für ausgeführte landschaftsschonende Methoden beim Gewässerschutz zu den Empfängern des Ford-Natur- und Landschafts- schutzpreises 1987. Dies als Schlagzeilen gegen Jahresende 1987 in Zürcher Zeitungen gelesen. Und bei uns? Mario F. Broggi (Ingenieur- und Planungsbüro in Vaduz) zieht Bilanz. Mario F. Broggi, Triesen Wir haben in Liechtenstein eine Sensibilität für den sog. qualitativen Gewässerschutz für sauberes Wasser entwickelt und dies uns bis- her über 120 Mio. Franken für Kanalisationen und Kläranlagen kosten lassen. Neben dem wichtigen Ziel der Gewässerreinigung wurde somit auch das Baugewerbe kräftig befruch- tet, Umweltschutz ist nicht a priori wirt- schaftsfeindlich. Von der ökologischen Unkenntnis im Wasserbau Wesentlich mehr Mühe, bis zur totalen Igno- ranz, bekunden wir mit dem sog. quantitati- ven Gewässerschutz, dem Erhalten intakter Fliessgewässer-Strukturen. Wir führen zwar heute sauberes Wasser ab, aber wie? Entwe- der durch unterirdische Leitungen oder in 
gestreckten Zwangsjacken. Durch Begradi- gung und Verbetonierung haben wir bis heute anstelle ehemaliger natürlicher Vielfalt weit- gehende Einförmigkeit gesetzt. Auf der Strecke geblieben sind die Flusskrebse, die Flussmuscheln und eine riesige weitere Arten- vielfalt an der bedeutenden Nahtlinie der bei- den Welten von Wasser und Erde. Durch die Einschalung werden die Gewässer aus dem Wirkungsgefüge der Landschaft herausge- nommen, haben vor allem keine Verbindung mehr mit dem Bodenwässer und veröden bio- logisch betrachtet als tote Abflussgerinne, wobei die Selbstreinigungskräfte weitgehend entfallen. Das orientalische Sprichwort «fliesst das Wasser über sieben Stein, so ist es wieder rein», ist auch bei uns bekannt. Damit ist ausgesprochen, dass unzerstörte Bäche und Flüsse erstaunliche Mengen von Abwäs- sern verarbeiten können. Die Klärleistung stammt aber vom «lebenden» Bach und nicht von  den Steinen. Auf einem Quadratmeter gedeihen so grössenordnungsmässig 100 000 
Tiere — vom Fisch bis zu den Mikroorganis- men. Erst die ganze Produktionspyramide von diesen Mikroorganismen über die Algen und die Kleintiere, die letztenendes bei den räuberischen Fischen endet, ermöglicht das Funktionieren eines Baches. Unser Interesse endet aber zumeist bei der Überhege der Re- genbogenforelle als eigentliche Pfannenfische. Die Sünden des Wasserbaus Fliessgewässer bilden eine fantastische Welt für sich. Der Boden von Bächen kann noch Urlandschaft darstellen. Der Wert eines Fliessgewässer-Lebensraumes liegt in der Vielfalt der Bodenstrukturen, des Nahrungs- angebotes, der Differenzen der Fliessge- schwindigkeiten auf kleinem Raum. Jeder Bachboden ist nicht gleichmässig eben, son- dern er weist starke Differenzierungen auf. Die Lückenräume in der Sohle sind hierbei etwas vom wichtigsten, sie ermöglichen die Wechselbeziehungen in den Untergrund. Der Schutzwasserbau vernachlässigte dieses Le- ben. Sein Ziel ist es, mit wachsenden techni- schen Möglichkeiten einen möglichst raschen und ungehinderten Abfluss von Hochwasser zu gewährleisten. Er kam damit auch den zunehmenden Flächenansprüchen an den knappen Boden sehr entgegen. Die Handha- bung eines derartigen «harten» Wasserbaues hat uns eine massive Verdichtung von einer einst funktionierenden, unglaublichen Viel- falt gebracht. Deren Gefährdung geht weit über den ideellen Wert hinaus, wenn nur ein wenig Erkenntnis über die untrennbare Be- deutung dieser Oekosysteme, dem letztlich wir Menschen unsere Existenz verdanken, vorausgesetzt werden könnte. So darf man heute bilanzieren, dass uns weniger die an sich bedenkliche Gewässerverschmutzung die grössten Probleme um den Erhalt der Gewäs- ser geschaffen haben, sondern der radikale Gewässerverbau in Verkennung der ökologi- schen Zusammenhänge. Bedenklich muss einem hier stimmen, dass nach wie vor für die «Sanierung», sprich Fliesswasserverbauung, viel öffentliche Mittel bereitstehen, die zur zunehemenden Demolierung der Fliessgewäs- ser führen. Die Notwendigkeit gewisser Si- cherungsbauten steht hier nicht zur Debatte, wohl aber die Methoden, um die Sicherung zu erreichen. Die Wasseraustreibung in Liechtenstein Im ökologischen Gewässer-Inventar Liech- tensteins des Jahres 1983 wurden ohne Be- rücksichtigung des Alpenrheines im Talraum bis zur 700 m Höhenlinie rund 219 km Fliess- gewässer kartiert. Als Ergebnis ist festzuhal- ten, dass 61 % dieser Fliessgewässer teilweise, 13 % total verbaut, 14 % verdolt und nur noch 12 % als naturnah anzusprechen waren. Diese naturnahen Gewässer fliessen zur Hauptsache im Hangbereich und dort vor allem im Wald. Ganze 340 fliessende Gewässer Laufmeter im Talboden gehören noch zur naturnahen un- verbauten Kategorie. Die Grundwasserabsen- kungen im Rheineinflussgebiet durch Kies-
	        

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