Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1987) (22)

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Bodenrecht 
April 1987 «Bodenrecht ist völlig ungenügend» Der nachfolgende Beitrag ist ein Auszug aus dem von Dipl.Arch.Wal- ter. Walch, Beauftragter für Landesplanung, verfassten liechtensteini- schen Länderbericht zur CIPRA-Jahresfachtagung 1987 in Brixen, die sich dem Thema «Bodenschutz und Berglandwirtschaft — Herausforde- rung für eine gemeinsame Umwelt- und Agrarpolitik zur Erhaltung der alpinen Kulturlandschaft» zuwendet. Die Länderberichte der Alpen- staaten werden neben weiteren Berichten in einem Tagungsband als CIPRA-Schrift veröffentlicht. Rhein, Rüfen, Erosionen im Berggebiet be- drohen seit jeher den zu knappen Lebens- raum. Dieser Gefahren bewusst und aus wirt- schaftlicher Not zur sorgfältigsten Nutzung der verfügbaren Flächen angehalten, bewahr- Walter Walch   ten sich die Bewohner dieses Landes ein na- türliches Verhältnis zur Landschaft. Man be- wahrte die «Ordnung» im Landschaftsraum, war aus Erfahrung «raumplanungsbewusst», hat Raumplanung über Jahrhunderte hinweg betrieben. Mit der wirtschaftlichen, gesell- schaftlichen und zivilisatorischen Änderung der letzten 40 Jahre ging dieses bäuerlich- planerische Grundverhalten verloren. Die wirtschaftliche, explosive Entwicklung zeigte ihre Negativfolgen insbesonders im Talgebiet, dem bis heute andauernden Kampffeld zwi- schen Bodenverbrauch und Bodenerhaltung. Die in den 60er Jahren begonnenen Ortsplan- ungen in allen Talgemeinden waren nicht in der Lage, diesen übermässigen Landver- brauch zu bremsen. Dies schmerzt umso mehr, da bereits 1947 ein fortschrittliches, zukunftsweisendes Bau- und Planungsrecht vorhanden war. Es wurde weit über den Be- darf hinaus geplant und zoniert. Die gegen- wärtig ausgeschiedenen Bauzonen fassen knapp mehr als 20 km' und genügen für die dreifache Einwohnerzahl. Rückzonierungen sind aus politischen Gründen praktisch 
nicht möglich. Elemente eines neuen Bodenrechtes In vielen Fällen waren Rückzonierungen auch planerisch nicht mehr machbar, da dank der fast unbegrenzten finanziellen Mittel nicht nur zu gross geplant, sondern auch viel zu viel erschlossen wurde, ohne dass der erschlosse- ne Boden in den Bodenmarkt einfliesst. Der Bodenmarkt ist vertrocknet und fast nicht existent. Die politische Diskussion über das Bodenrecht ist aus verschiedensten Gründen erschwert, die vorhandenen Teile eines Bo- denrechtes sind völlig ungenügend. Aus raumplanerischer Sicht sind insbesonders fol- gende Elemente eines Bodenrechtes gefor- dert: progressive Besteuerung des Bodenwer- tes zur Verhinderung der Baulandhortung (und auch als sozialer wie planerischer Wert- ausgleich), Differenzierung der Bodenbe- steuerung entsprechend dem Planungswert, Neuordnung des Gründstückverkehrsrechtes unter anderem mit dem Vorkaufsrecht zu 
Gunsten der Gemeinden und des Staates nicht anhand von Liebhaberpreisen, sondern aufgrund amtlicher Schätzwerte; Neuordnung der Subventionspolitik und Belastung der Pri- vaten mit Erschliessungsmassnahmen der öf- fentlichen Hand, Neuordnung des Sachen- rechtes und insbesonders des Umlegungsrech- tes, 
Nutzungsverpflichtung erschlossenen Baulandes. Es ist dem Landesplaner durchaus verständ- lich, dass sich diese Postulate politisch nicht sofort umsetzen lassen. Sie sind aber unum- gänglich, wenn das wichtigste staatspolitische Ziel einer breiten Eigentumsstreuung und auch die vorherrschende Lebensform des Liechtensteiners im eigenen Haus (wenn auch in verdichteter Bauform) und die noch vor- handene Umweltqualität auf Dauer gesichert werden soll. Verdichtung bestehender Bauzonen Grundsätzlich ist heute eine durch zahlreiche Kämpfe mit den Gemeinden gefestigte Raum- ordnungspolitik der Regierung festzuhalten. Es gibt keine Ausweitung der Bauzone mehr. Diskussionsfähig sind in einem gewissen Um- fang geringfügige Verschiebungen bei Einhal- tung der Flächenbilanz. Im ausgeschiedenen Baugebiet sind auch. Reservebauzonen bein- haltet. Seit der Revision des Bau- und Pla- nungsrechtes im Jahre 1985 geniessen diese Reservezonen einen absoluten Schutz, in de- nen weder geplant noch gebaut werden darf. Sie sind somit langfristige Reserven für eine künftige räumliche Entwicklung innerhalb des Siedlungsperimeters und dienen bis dahin der landwirtschaftlichen Nutzung. Doch um auch diese Zielsetzung auf Dauer politisch wirksam zu erhalten, sind die aufgeführten boden- rechtlichen Postulate unabdingbar. Der raum- planerischen Zukunft der Gemeinden und des Landes gehört nicht die Erschliessung und Überbauung neuer Gebiete,. sondern aus- schliesslich die Verdichtung bestehender Bau- zonen, einschliesslich der Industrie- und Ge- werbezonen. Die hierfür notwendigen Instru- mentarien wurden mit der Revision des Bau- rechtes im Jahre 1985 gegeben, ein schon weitgreifendes Recht, das Privatrechte aufzu- heben vermag, allgemein zwingende Vor- schriften zur Nutzungspflicht, Bauweise usw. enthält, Grenz- und Gebäudeabstände aufhe- ben kann und einen grossen öffentlichen Ge- staltungsfreiraum formuliert. Was heute fehlt, ist aber die Anwendung dieses hervorragen- den Instrumentariums durch die Gemeinden, denen die Planungskompetenz von Gesetzes wegen obliegt. Verdichtung des Baugebietes 
ist eine Form des Bodenschutzes, der grösste orts- und landesplanerische Bedeutung zu- kommt. Für eine Landwirtschaftszone Bodenschutz und Landwirtschaft im Talraum sollten an sich kein Gegensatz sein, sind es aber dennoch. Die zunehmende Mechanisie- rung und die hochintensive Bewirtschaftungs- form brachten im Talraum Übernutzungsprobleme. Die Bodenqualität leidet unter Boden- verdichtung durch häufigen und schweren Maschineneinsatz. Die Rationalisierung der Produktion führte zu einer erhöhten Bela- stung. Die Intensität der landwirtschaftlichen Produktion hat früher mit der Entfernung zum Dorf abgenommen und war damit ein natürlicher Schutz vor Übernutzung des Bo- dens. Die zahlreichen vom Staat hochgeför- derten Aussiedlungen in der freien Land- schaft haben sich zumindest aus der Sicht der Landesplanung, des Boden- und Landschafts- schutzes negativ ausgewirkt. Auch im Für- stentum Liechtenstein war es aus verschieden- sten Gründen nicht möglich, ein koordinier- tes, verbrauchs- und zukunftsgerechtes land- wirtschaftliches Leitbild zu entwickeln. Man war vielleicht auf fachlicher und politischer Ebene blockiert durch das nicht unberechtigte Argument, dass infolge der wirtschaftlichen Einbindung Liechtesteins in den schweizeri- schen und europäischen Agrarraum kein eige- nen nationales Leitbild der Landwirtschaft entwickelt werden könne, um eine darauf ab- gestimmte Landwirtschaftspolitik durchzuset- zen. Dennoch ist dieses Leitbild im Interesse der dauernden Erhaltung der Qualität unserer Böden, unserer Landwirtschaft und der dau- ernden Sicherung der Ernährungsbasis zwin- gend. Für den Teilbereich Bodenschutz sind folgende Lösungsansätze vordringlich: — Neuordnung der landwirtschaftlichen Sub- ventionspolitik unter Einbezug ökologi- scher und raumplanerischer Gesichts- punkte. — Förderung biologischer, zumindest boden- angepasster Bewirtschaftungsformen, Rückkehr zu natürlichen Produktionsme- thoden (öffentlicher Lastenausgleich). — Verzicht auf Superchemie in der Landwirt- schaft (siehe Subventionspolitik). — Umstellungsprämien, Prämien für boden- schonenden Anbau und umfassende Bera- tung der Landwirte. — Festlegung der landesweiten Landwirt- schaftszone, bündig mit dem heutigen Sied- lungsrand; neue landwirtschaftliche Höfe nur noch am inneren Rand der Bauzone. — Anpassung und Ergänzung des Bodenrech- tes, wie Nutzungsverpflichtung und Nut- zungsbegrenzung, Grundstückverkehrs- recht, langfristig gesicherte Pachtverträge zum Schutz des Bodens und zur Sicherung der Landwirtschaftsbetriebe. Das heutige Pachtsystem ist nachteilig für die Boden- qualität. Die Pachtverträge sind nur kurz- fristig und jederzeit kündbar und führen zwangsläufig zu einer Ausbeuterbewirt- schaftung des Bodens. Gesetzlich geschütz- te langfristige Pachtverträge sind somit we- sentliche Voraussetzung zum qualitativen Bodenschutz. ■
	        

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