Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1984) (15)

Seite 6 Umweltkrise April 1984 Fortsetzung von Seite 5 tionen nachhängt, bis das Herz den Kältetod des Gefühls stirbt. — unsere Diskotheken — kakophonisches Mo- tocross toten Lebens — unsere Fernsehkrimis — hämisches Bein- haus für verdrängte Todesängste — unsere Drogenkinder — erfrierende Opfer der Familieneiszeit — Pornografie — Geisterstunde mumifizierter Eheleichen Im Dachregelkreis geben Religion und Phi- losophie dem. Zeitgeist, Sinn, Rahmen, Man- tel, Leben überhaupt. Nie aber tasten sie die unveräusserliche menschliche Freiheit an. Des Göttlichen im Menschen wegen sind wir je einmalig. Dieses Göttliche zu hüten, ist ureigenstes Anliegen der Grossen Lehren; das Sektiererische aber meint — welche Ver- wegenheit! —, die Wahrheit zu besitzen. Die Grossen Lehren sind die Gralshüter der triumphalsten Freude überhaupt, des Jubels, in dem beispielsweise die Christen Ostern fei- ern: wir leben nach dem Tode! Dieses Jubels über die Jahrhunderte hinweg begeben wir uns durch das Gaukelspiel, den Lockruf des Geldes: an die Stelle des Menschen gerückt, ist es, das Mittel, Zweck geworden. Sind wir bald Mittel zum Zweck, in Stereo- und Moto- phonie vereint im Todestanz um das Goldene Kalb? Zur Umwelt Wir messen die Umweltbelastung in einzel- nen Höchstwerten: für Cadmium, Blei, Quecksilber . .. Wir bestimmen je einen Höchstwert in einem Lebensmittel und sind beruhigt, wenn er unter dem Toleranzwert liegt. Dies ist — reiner könnte es nicht sein - Denken in Splittern: eine Denkkatastrophe, heimlich in unseren Köpfen geisternd, uner- messlich im Schaden, den sie anrichtet. In unserer Expertokratie kümmert sich kein Ex- perte um die 
Gesamtbelastung, 
die sich aus den Myriaden von einzelnen Höchstwerten ergibt. Im Dachregelkreis — wie wichtig! — ist die Gesamtbelastung massgebend. Der Zukunft gehört das ganzheitliche Um- weltdenken. Die Verträglichkeit ergibt sich aus dem wechselseitigen Wirken der vielen einzelnen Schad- und Wirkstoffe. Wie gross muss die Forschungsarbeit sein, bis wir so weit sind! Wie riesige Rechneranlagen müs- sen wir einsetzen, bis alle Daten aufeinander abgestimmt, die Programme geschrieben sind: in der Gemeinde, der Region, im Land, in Europa, weltweit in der UNO! Im Dachre- gelkreis überwacht ein geografisches Stufen- system die Gesamtbelastung der Umwelt. Ein solches Vorgehen ist eine Herausforde- rung an neue Technologien wie die Elektro- nik und die Bionik — und damit feiern Umwelt und Wirtschaft Verbrüderung. 
Zur Wirtschaft Wollen wir die Umwelt allmählich entlasten, müssen wir die Wirtschaft zwangsläufig bela- sten. Dies ist ein äusserst heikles Unterfan- gen, wollen wir soziale Katastrophen vermei- den. Lösbar ist dieses Problem längerfristig mit Alternativenergien und neuen, umwelt- schonenden Technologien. Etwa mit Akku- mulatoren, die in der Sonnenhitze der Wüsten aufgeladen werden. Damit können die Ärm- sten auf dieser Welt ihr Brot verdienen. Diese Akkumulatoren sind Antrieb der Autos, der Kraftwerke, der Wärmepumpen. Oder die elektronische Kommunikation, die uns My- riadentonnen von Abfallpapier erspart. Im Dachregelkreis trägt der Verursacher - Unternehmer wie Haushalte — die Kosten der Müllentsorgung. Das Verursacherprinzip ist nicht nur gerecht, es erzieht den Verursacher zur Umweltverantwortung und überdies zur sanften Technologie. Unsere Wirtschaftskrise ist eine Strukturkri- se, schmerzlich spürbar in der Arbeitslosig- keit. Wir brauchen junge Unternehmer, die den Mut haben, in sanfte Technologien einzu- steigen. Die Pioniere der sanften Technolo- gien schaffen Arbeitsplätze und Zuversicht. Sie sind nicht nur Techniker, sondern vor- nehmlich Philosophen im weitesten Sinn. Wir brauchen epochale Erfindungen von der Tragweite etwa der Elektrizität, der Fotogra- fie. Wir Europäer lahmen an der Schwermut, es sei alles erfunden. Nein!, wir wissen gerade das Einmaleins der Naturgesetze. Versuchen wir uns in der Integralrechnung! Wir brauchen ein anderes Klima in den Be- trieben:-Leiter, die keine Untergebenen, son-   dem Mitarbeiter haben. Gruppen, in denen der Leiter, ergäbe sich's, auch einmal den Papierkorb leert. Organisationen, in denen Konflikte im Konsens, nicht mit hierarchi- schen Peitschenhieben gelöst werden. Zur Wissenschaft und zu den Medien Der Wissenschaft wird ein schmerzliches Um- denken nicht erspart bleiben. Im Dachregel- kreis hat sie sich ihres Machbarkeitswahns entledigt. Es forscht sich besser in dieser Bescheidenheit denn in der Illusion, mit blossen, hohlen Hän- den das Meer auszuschöpfen. (In seltsamem Gegensatz zum wissenschaftlichen Machbar- keitswahn steht die oben beschriebene Schwermut in der Wirtschaft.) Im Dachregelkreis analysiert die Wissenschaft ganzheitlich Umwelt und Wirtschaft auf Ver- träglichkeit. In interdisziplinärem Denken sucht sie den Ausgleich und befruchtet mit ihren Erkenntnissen den Zeitgeist: 
Der Dach- regelkreis schliesst sich. 
Das System verbes- sert sich zusehends; alle Institutionen sind unter einem Dach vereinigt und verfolgen dasselbe Ziel. 
Die Medien sind im Dachregelkreis — wie heute — von massgebendem Einfluss auf den Zeitgeist. Mit dem Geist im Dachregelkreis werden sich auch die Medien wandeln zu Ed- lerem. Sie sind Gehör und Sprachrohr ehrli- cher Demokratie, sie sind der Treue zum Wandel verschrieben, jenem Weg hin zu stets neuen Ufern der Wirklichkeit: Zum Schicksal der Menschheit Nie in der 5 Milliarden Jahre alten Geschichte unserer Mutter Erde stand ihr Schicksal der- art in Frage wie in der Jetztzeit. Die Mensch- heit hat es in der Hand, über zwei Knopfdrük- ke zu entscheiden, ob über die nächsten 200 000 Jahre höheres Erdenleben möglich ist oder nicht, ob sie äonenhaftes Dunkel über unseren einzig möglichen Wohnort im Uni- versum senkt, Zeugnis gebend von einem We- sen, das seine Erde und den nahen Weltraum zwar beherrscht, auf dem Weg zu sich selbst hingegen jämmerlich versagt hat. Die Quetschzone, in der wir sind, birgt aber die unermesslich verheissungsvolle Aussicht, über eine Weltordnung den Krieg zu vermei- den, mit dem Dachregelkreis den blauen Planeten naturgemäss zu steuern, zu bewirt- schaften; gelebtes Sein über totes Haben zu stellen; Menschlichkeit über Macht zu setzen. Damit hätten wir die grösste menschliche Lei- stung aller Zeiten erbracht. Gelingt uns das, ist die Menschheit gerettet. Ansonsten, fürcht ich, geht sie unter.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.