Volltext: Liechtensteiner Umweltbericht (1984) (15)

rungen bei bestimmten Leuten unbe- liebt machen. Und weil bei uns jeder jeden kennt, halten sich viele zurück. Es gibt aber auch solche, die glauben und hoffen, dass «von oben herab» schon die Weichen richtig gestellt werden. Das könnte allerdings ein Trugschluss sein, denn unsere ver- antwortlichen Politiker wissen um die Mehrheitsverhältnisse und darum, dass man einem, der sich für eine Sache besonders stark macht, schnell das Stuhlbein absägen kann. Politiker sind nicht für unpopuläre Massnahmen, die sich negativ auf die nächsten Wahlen auswirken können. «Im Rahmen des Möglichen» heisst es bestenfalls. 
Von den Diskussionen um Flachdä- cher, Strassenbreiten, Erschliessung neuer Skigebiete mit Liften bis hin zur Schneeräumung und vielen anderen Umwelt-Problemen gab und gibt es laufend zu berichten. Die Diskussio- nen sind deshalb recht undankbar, weil meistens nur die betroffenen Stellen reagieren und diejenigen, wel- che die Umwelt in Schutz nehmen möchten, den Mut nicht haben, dafür einzustehen. 
Persönliche Briefe, Schulterklopfen da und dort, ein kur- zes Kompliment im Vorbeigehen, ab ja nichts Offizielles. Niemand soll wis- sen, dass man selbst auch ein Ver- fechter gewisser Vorstellungen ist. Man könnte sich mit gewissen Äusse- 
Liechtensteiner Umweltbericht 
Öffentlichkeit und Umweltschutz Seite 13 Politiker stützen sich auf Bürgermeinung ... ... und dort regiert der Eigennutz Ein «Umweltschutz-Projekt hat bei uns dann grosse Chancen, wenn auf der einen Seite kein Verzicht geleistet werden muss und auf der anderen Seite Geld verdient werden kann. Wenn aber die Schonung unserer Um- welt nur Verzicht bedeutet, (z.B. landesweite Landwirtschaftszone), dann gibt es wenige, die sich mit Vehemenz dafür einsetzen. Ist aber Arbeit zu vergeben und folglich Geld zu verdienen, dann gibt es verschiedene Kreise, die sich für die Realisie- rung einsetzen. Dies kann an einem theoretischen, aber denkbaren Beispiel erläutert werden: Strasse über das Sareiserjoch? Gerüchten zufolge sollen die Triesenberger Bauern an einer Strasse über das Sareiserjoch auf die Alpe Sareis (Ubr am Grad) in- teressiert sein. Zu einer neuzeitlichen Alpe gehöre auch eine Zufahrt, wird argumentiert. Damit ste- hen die Bauern bestimmt nicht allein, denn Interes- senvertreter des Touris- mus sehen darin be- stimmte Vorteile, Bauun- ternehmen sehen Arbeit und Verdienst etc. Der moderne Durchschnitts- mensch des Jahres 1984 tragbar. sieht vielleicht ebenfalls für ihn einige Vorteile. Nur an die Natur, an die Tier- und Pflanzenwelt, an die möglichen Folgen des Eingriffs, daran will man nicht denken. Zumindest ist niemand so stark mo- tiviert wie die genannten «Befürworter». Des- halb hätte ein solches Projekt recht gute Chancen. Die Interessenvertreter würden sich bei umgekehrten Vorzeichen bestimmt für den Verzicht auf den Strassenbau aus- 
sprechen. Sie werden das aber nicht tun, weil verzichten nichts Zählbares einbringt. Umdenken an der Basis Weil Politiker Menschen sind, die auf Stim- men angewiesen sind, darf man von ihnen keine allzuforschen Vorstösse erwarten. Be- stimmt bringt der eine oder andere gewisse Ideen und Zielsetzungen mit, aber die mei- sten sind «schlau» genug, diese Vorstellun- gen in der Öffentlichkeit so wiederzugeben, dass es politisch nicht schaden kann. Klar formulierte Forderungen von Verzicht, von Rücksicht aufeinander im Interesse des Ge- meinwohls, sind deshalb kaum zu erwarten. Und weil sich die Politiker auf die Bürgermei- nung abstimmen, muss an der Basis ein Um- denken erfolgen. Erst dann sind Politiker «motiviert» vormals unpopuläre Entscheide 
anzustreben. Wer glaubt, dass ein Politiker seine persönliche Meinung in Sachen intak- ten Lebensraum auch auf das Risiko hin ver- tritt, entscheidende Stimmen zu verlieren, liegt 
falsch. Nur wer nichts zu verlieren hat, wie z. B. wir «Umweltschützer», darf seine eigene, ehrlich gemeinte Ansicht auch sagen. Politiker dürften das natürlich auch, aber be- stimmt nur eine Legislaturperiode lang . . . Persönlich bin ich der Überzeugung, dass die Basis (also die breite Volksmeinung) nicht än- dern wird. Es sei denn, die Sachzwänge bringen uns dazu. Der Mensch habe, so heisst es zumindest, auf seinem Weg bis ins Jahr 1983 noch nie «zu- rückgesteckt». Die Flucht nach vorne ist die einzige Möglichkeit, sowohl wirt- schaftlich als auch gesell- schaftlich. Wo diese Flucht enden wird, das ist heute nicht vorhersehbar. Wenn wir aber an die Zu- kunft glauben wollen, und es bleibt uns gar nichts anderes übrig, dann müs- sen wir den Versuch eines Umdenkprozesses den- noch starten. Die Aussich- ten sind zwar wenig erfolg- versprechend, aber es bleibt keine andere Wahl. Falls in Zukunft weit mehr Bürger sich für die Belan- ge der Umwelt und der gesamten Ökologie interessieren, falls sich diese nicht mit ihrem Einsatz zurückhalten und mit Demonstrationen, Diskussionsrunden, Le- serbriefen und gemeinsamen, sinnvollen Ak- tionen mit der Problematik der heutigen Zeit auseinandersetzen, falls jeder einzelne im Ge- samtinteresse verzichten lernt, dann könnte die Sonne auch im Jahr 3000 über unserem Planeten aufgehen. Aber eben nur, falls .
	        

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