DIE ALTE EINFACHHEIT
Die gute alte Zeit
Immer wird es so sein, denn es liegt im Wesen des Menschen begründet, daß
alte Leute die Zeit ihrer Jugend, die Zeit der Eltern und Großeltern als die gute
alte Zeit im Schimmer der Verklärung sehen. Der Blick zurück ist ein Blick ins
Paradies, das es seit Adam und Eva nicht mehr gibt.
Ruhe, Glück und Zufriedenheit sehen wir als Merkmale des Lebens unserer
Ahnen und vergessen manchmal, mit welcher Genügsamkeit, unter welchen Ent-
behrungen sie dieses Glück fanden. Davon berichten sie aber auch gerne, die
Alten im Dorf, und sie tun es mit Recht nicht ohne Hinweis auf die heutige Zeit,
in der das Leben weithin eine Jagd nach dem Gelde ist, das dann dazu dient,
die Jagd nach dem Vergnügen möglich zu machen: ein ruheloses Tun, in dem
die Stunden der Besinnung und der Stille unbekannt werden.
Hart war das Leben der guten alten Zeit, das wollen wir zuerst bedenken.
Wie manche Krankheit, deren Heilung heute eine Selbstverständlichkeit ist, führte
damals unweigerlich zum Tode! Wie starben die Kinder dahin! Ich habe im
Vaduzer Familienbuch wahllos aus den verschiedensten Familien die Sterbefälle
der Säuglinge betrachtet, Ich zählte 400 Kinder, die im vorigen Jahrhundert
geboren wurden. Davon starben 98 vor Erreichung des ersten Lebensjahres!
Jedes vierte Kind starb im Säuglingsalter. Eine Familie fand ich, von deren
6 Kindern nur eines das erste Lebensjahr überlebte!
Hart war besonders das Los der Armen. Zwar sorgte der „Spendvogt“ in
der Gemeinde für das Armenwesen, aber oft konnte er auch nichts anderes tun,
als die Armen und Gebrechlichen rundum zu verteilen in der Gemeinde, Stärker
als heute war jedoch das christliche Bewußtsein in unseren Vorfahren, daß es die
wahre Frömmigkeit ist, sich der Waisen und Witwen in ihrer Bedrängnis anzu-
nehmen. Aber oft reichte der gute Wille nicht aus, und die verschimte Armut
fand keinen Helfer.