Volltext: Die parlamentarische Kontrolle über die Regierung im Fürstentum Liechtenstein

Die Ministeranklage war die einzige Möglichkeit, untragbar gewordene Re­ gierungsmitglieder während der Amtszeit zur (staatsrechtlichen) Verant­ wortung3 zu ziehen und aus ihrem Amt zu entfernen. Durch die Ministeranklage werden staatliche Funktionäre für ihr Verhal­ ten im Namen der Nation in gerichtliche Untersuchung4 gezogen. HAMILTON5 argumentierte deshalb, dass das Recht zur Erhebung der Amtsanklage nur bei den Vertretern der Nation selbst, d. h. beim Parlament (und in Zweikammersystemen bei der Volkskammer) liegen kann. Auch in Liechtenstein ist der Landtag Kläger. Beschliesst dieser mit der erforderli­ chen Zweidrittelsmehrheit6 (Art. 44 StGHG) Anklageerhebung, so über­ sendet er durch seinen Präsidenten dem Vorsitzenden des StGH eine Anklageschrift (Art. 46). Diese Anklage, ganz abgesehen vom Impeach- menturteil, dokumentiert allein schon die Vertrauenskrise zwischen Regie­ rung und Parlament und wird als scharfe Sanktion empfunden. Auch im Falle eines Freispruchs hat das verklagte Regierungsmitglied kaum noch eine politische Zukunft. Objekt der Kontrolle ist, ebenso wie etwa in Österreich7, das einzelne Re­ gierungsmitglied.8 Ob auch die Regierung als Kollegium in den Anklagezu- stand versetzt werden kann, ist zu bezweifeln.9 Im StGHG (Art. 48) ist bloss von «dem Angeklagten» im Singular die Rede. Nach liechtensteini­ schem Recht hat jeder einzelne Anrecht auf ein seinem Verschulden ange­ messenes individuelles Urteil. Ein Anklageverfahren wird sich nicht gegen das Kollektiv richten können. Anklagegnmd ist die absichtliche oder grobfahrlässige Verletzung der Verfassung und der Gesetze in Ausübung der Amtstätigkeit (Art. 44 StGHG). Es geht mit andern Worten um eine qualifizierte schuldhafte Rechtsverletzung.10 Hierin unterscheidet sich die Ministeranklage vom 3 BRUNNER, Regierungslehre, 250; SCHAMBECK, 302. 4 Die über ein Impeachment entscheidende Instanz kann ein Gericht oder eine Kammer des Parlaments sein. Vgl. PARLIAMENTS, 1354; FRENKEL, 292. 5 HAMILTON Nr. 65, 366. 6 Die meisten Staaten verlangen für das Zustandekommen einer Ministeranklage eine quali­ fizierte Mehrheit. Vgl. FRENKEL, 352 ff.; PARLIAMENTS, 516. 7 Art. 142 Bundesverfassungsgesetz; vgl. ADAMOVICH-FUNK, 203 f. 8 Dies im Gegensatz zur Regelung in der Bundesrepublik Deutschland: Gemäss Art. 61GG kann die Ministeranklage ausschliesslich gegen cien Bundespräsidenten, nicht aber gegen den Bundeskanzler oder die anderen Mitglieder der Buncfesregierung erhoben werden (KOMMENTAR E, 523). 9 Vgl. FRENKEL, 321. 10 Vgl. NAWIASKY, 12; SCHAMBECK, 302; LEIBHOLZ, 297; FRENKEL, 322 ff. 296
	        

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