Volltext: Die parlamentarische Kontrolle über die Regierung im Fürstentum Liechtenstein

Büchel, sich vom höchsten Gericht seine Unschuld bestätigen zu lassen. Es ist als ein Nachbeben der Sparkassenaffäre zu sehen, welche grosse Auswir­ kungen auf die politische Landschaft hatte: In der Folge des Skandals löste der Fürst auf Antrag der Bürgerpartei und aufgrund einer eingeleiteten Volksinitiative am 15. Juni 1928 den Landtag auf.32 Am gleichen Tag demis­ sionierte die Regierung. Die Landtagsneuwahlen im Juli 1928 führten einen Machtwechsel herbei und bildeten einen Wendepunkt in der liechtensteini­ schen Parteiengeschichte: Die Volkspartei musste eine Niederlage einstek­ ken, von der sie sich lange nicht mehr erholen sollte. Die Bürgerpartei stellte zehn Abgeordnete, die Volkspartei deren fünf. Kurz darauf wurde von den Anhängern der Volkspartei der Proporz-Gedanke wieder aufgegriffen, vorerst allerdings ohne Erfolg. Es ist verständlich, dass das Disziplinarverfahren ein äusserst selten benütztes Kontrollinstrument ist: Die erforderliche einfache Mehrheit kann nur zustande kommen, wenn mindestens zwei Drittel der Abgeordneten dies zumindest dulden (Quorum des Art. 58 LV). Bei den bestehenden knappen Mehrheitsverhältnissen müssten also Abgeordnete beider Parteien hinter dem Antrag stehen. Die enge Verbindung von Regierungsmitglie­ dern und Fraktion sowie koalitionsbedingte Rücksichtnahmen lassen das Disziplinarverfahren zu einem Instrument von eher historischer Bedeutung werden. Es dient allenfalls noch dazu, einem in der Öffentlichkeit kritisier­ ten Regierungsmitglied vom höchsten Gericht die weisse Weste bescheini­ gen zu lassen. Es bleibt zu prüfen, ob diese Funktion des Schutzes gegen Anschuldigungen institutionalisiert werden soll, beispielsweise in der Form eines Rechts in der Hand der Regierungsmitglieder, ein Verfahren gegen sich selbst einzuleiten. Für die eigentliche Regierungskontrolle stehen dem Landtag heute bessere, nicht gerichtliche und leichter handhabbare Kon­ trollinstrumente zur Verfügung.33 Die Befragung der Abgeordneten bestätigte diese Beurteilung: 19 Abgeordnete betonten wohl die potentielle Bedeutung des Disziplinar­ verfahrens für Extremfälle. Angesichts der knappen Mehrheitsverhält­ nisse mit Sperrminoritäten und der bestehenden Koalitionsregierung sei es allerdings kaum vorstellbar, dass es zustande kommen könnte. 1 Abgeordneter kannte das Instrument des Disziplinarverfahrens nicht. 32 Vgl. WILLE, Wahlrecht, 70. 33 G. M. MARXER Ludwig, 78; PAPPERMANN, Regierung, 110. 294
	        

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