Rhein und Rüfen
Kräfte oder menschlichen Eingreifens das ihn im alten Bette stoppende
Gerinsel an Schlamm, Sand und Kies beiseite oder weiter vor sich her
schob. Dann blieb der Rhein im alten Rinnsal. Oder es ergaben sich nur
leichte Verschiebungen der Richtung, ein unbedeutendes Umfliessen
eines sich durch Ablagerung oder Seitenstrom gebildeten Hindernisses.
Solange die Bewohner des Tales oder das von ihnen geschaffene
Kulturland von einem solchen Zick-Zack des Rheines nicht direkt
betroffen, gefährdet oder geschädigt wurden, solange nahm der Anwoh:
ner davon kaum Notiz und griff nicht hemmend oder korrigierend in
den Rheinlauf ein. Wo der Rhein seine Hofstatt besass, war diesen
Bewohnern noch ziemlich gleichgültig. Höchstens bei Anlage der Ver
bindungsstrassen Süd-Nord versuchten sie seiner Hofstatt auszuwei-
chen (z.B. Anlage der alten Römerstrasse, der Reichsstrasse und der
alten Landstrasse). Wenn nun später Hochwasser und Überschwem-
mungen genannt werden, dann handelte es sich um Katastrophen oder
ernstliche Bedrohungen, die Kulturland oder Wohnungen im Vorfeld
des Rheines betrafen, das heisst, wenn der Rheinstrom bei Hochwasser
(Schneeschmelze, Gewitter, ergiebige Regengüsse) seine bisherige Hof-
statt verlassend jene wegschwemmte oder einrüfnete. Wuhre gab es in
alter Zeit keine. Man überliess sich dem Schicksal, nahm drohendes
Unheil und Zerstörung als etwas Unabwendbares hin, richtete sich neu
ein oder baute Haus und Hof anderswo auf.
Allerdings empfand der Bewohner dies als rechte Not. Es wuchs
die Erkenntnis, dass man sich nicht mehr von bisher guten Wohnplätzen
so leicht vom gewalttätigen Rhein vertreiben lassen dürfe, man könne
und müsse sich wehren und sich vor der Unbill des Rheines schützen.
Aochwasser haben ihre Ursachen in Schneeschmelzen, Gewit-
tern und grossen anhaltenden Niederschlägen. Schuld von der
Zunahme der Geschiebeführung und damit der schnellen Erhöhung des
Rheinbettes im 18./19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war das
Abholzen der Gebirgswälder in Graubünden und die nachfolgende
starke Verrüfnung des Geländes. Ebenso wirkte die Verstärkung der
Stosskraft des Rheines für unsere Gegend, nachdem sich Rinnsale bilde-
ten, die eine grössere Schleppkraft besassen. Erst mit dem Stau durch die
grossen Rheinkraftwerkstauseen, den Wildbachverbauungen und ähnli-
chen Faktoren verlor der Rhein seine enorme Stosskraft und lässt das
schwere Geschiebe wie ehedem in Graubünden liegen. Der Rhein bringt
seit ca. 1970 kein neues Kies mehr nach. .
Hochwasser bilden wohl eine Gefahr für das ganze Tal, aber die
eigentliche Katastrophe ist dann die Überschwemmung. Überschwem-
mungen gab es, wenn bei Hochwasser Schutzdimme (Begleitdämme,
Streichwuhre, Hochwuhre) fehlten, nicht genügend stark oder fehler-
haft erstellt und - wie 1927 bei Schaan - eine zu tief in den Rhein einhän-
gende Brücke wie eine Sperre für den Abfluss wirkte und den Rhein
direkt aus seinem Bett über die Ufer leitete. .
. Neben den eigentlichen Rheineinbrüchen gibt es noch zahlreiche
Wuhr- und Dammbrüche, die mehr lokal Verwüstungen anrichteten,
und die oft zu bekannten Wuhrstreitigkeiten für Wiederaufbau, Ande-
rung der Anlagen (Wuhrrichtungen) und gegenseitigen Schadenersatz-
ansprüchen der Gemeinden führten. a
Je weiter im Süden des Landes ein Rheineinbruch erfolgte, je grös-
ser das Hochwasser war und je länger es andauerte, desto verheerendeı
war der das Land treffende Schaden. Ebenso war derselbe unterschied-