Armut, Kriege und Notzeiten
Personen, in Sargans mehr als die Hälfte der Einwohner.» (JBL 1902 S. 57).
In die verlassenen und ausgestorbenen Wohnungen zogen vielfach
2öher oben oder in den Nebentälern siedelnde Walliser nach, sicherlich
sam so auch mancher «Hintersass» nach Triesen.
Seger berichtet im JBL zu 1629:
«Es ist kaum zu verstehen, dass die Chronisten als Zeitgenossen zwar
über jede Kriegshandlung, über jedes kleine Gefecht genau berichten, aber
das grösste Leid kaum erwähnen, das der Krieg ins Land gebracht hat, die
Pest, Es war dıe sogenannte orientalische Beulenpest, von kaiserlichen Hee-
ren wahrscheinlich aus Ungarn eingeschleppt, Schlafsucht und Erbrechen,
unstillbaren Durst, schwarze Flecken am Leib und Ausbruch von Beulen
waren ihre Kennzeichen, und der Tod trat in wenigen Tagen ein.
Die furchtbare Krankheit war schon 1628 in Süddeutschland und
Vorarlberg ausgebrochen, Truppen zogen durch verseuchtes Gebiet und
verschleppten sıe in ihre Quartiere weiter. 1629 wurde das grösste Pestjahr.
Aus einzelnen Nachrichten können wir den DE der Katastrophe
erfahren: In neun Monaten starben in der Stadt Feld ch 175 Personen, die
Zahl der Opfer in Chur wird mit 1010 Menschen angegeben, in manchen
Dörfern des Prättigaus starben zwei Drittel aller Bewohner. Sprecher von
Bernegg schreibt, dass die Krankheit in Graubünden in den Jahren 1628 bis
1631 ungefähr 20000 Menschenleben gefordert habe, und Fortunat von
[uvalta berichtet an dieser Stelle, die Pest habe in den meisten Dörfern
mehr als die Hälfte hinweggerafft.»
In den Archiven unseres Landes ist kein Dokument aufbewahrt,
das über die schrecklichste aller Seuchen Kunde gibt. Dass sie aber bei
ans ähnlich gewütet hat wie in der ganzen Nachbarschaft ist gewiss. Die
ainzigen Zahlen sind bei Peter Kaiser überliefert: Bis zum Oktober 1629
aabe die Pest allein in der Pfarrei Bendern sechzig Opfer gefordert, dar-
anter den Abt Georg Heinlin und seinen Nachfolger Jakob Rauch sowie
Pater Christoph, und es heisst, dass in der Pfarrei täglich neue Fälle auf-
:reten.
Viele unserer Vorfahren seien in die Alpen geflohen, aber das
Wüten sei weitergegangen, heisst es an anderer Stelle, und unser
Geschichtsschreiber berichtet, dass in unseren Landschaften 57 Häuser
zanz ausgestorben seien. Manche Erinnerung ist in den Sagen bewahrt:
In Triesen sei der Friedhof zu klein geworden und man habe die Toten,
die im Winter vom Triesenberg auf Schlitten herabgeführt wurden, an
anderen Stellen beigesetzt. Bei Grabungen auf dem Platze der alten
Triesner Kirche sei ein Stein gefunden, der die Inschrift trug:
dst das nicht eine grosse Plag,
neunundneunzig Jungfranen in einem Grab.»
Noch im vergangenen Jahrhundert wurde in Vaduz erzählt, dass
nach dem Erlöschen der Pest elf Männer, die einzig überlebenden Haus-
väter, in einem Hause am Altenbach zusammengekommen seien, um zu
beraten, wie das Leben weitergeführt werden solle.
wegen die Pest kannte man kein wirksames Heilmittel. Sie wurde
als eine Geissel Gottes betrachtet. Der «Schwarze Tod» erfasste jedes
Alter, jeden Stand und Beruf und besonders Personen, die ohnehin
schon geschwächt waren, erlagen ihm. Aus Angst vor Ansteckung
wollte niemand die Befallenen pflegen; elend mussten sie verbranden.
Die Behörden behalfen sich mit Sperrmassnahmen für Abzug und Ein-
zug.
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