Armut, Kriege und Notzeiten
Damit war der im Laufe mehrerer Jahrhunderte eingepflanzte Teu-
fels- und Hexenglauben aber nicht ausgelöscht. Seine Wurzeln gründeten
tiefer. Die Vorstellungen lebten, wenn auch in veränderter und abge-
schwächter Form, weiter. In der überlieferten Gedankenwelt aufgewach-
sene Menschen unterliegen in angespannten Situationen auch heute noch
der Versuchung, Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte in die magische Welt
zu projizıeren und ıhrer Not durch Zauber und Gegenzauber Abhilfe zu
schaffen. Wie anders könnte man sich sonst den wachsenden Zulauf der
Wahrsager und Heiler erklären? Nichts deutet darauf hin, dass der aus dem
Mittelalter bis in unsere Zeit reichende Schatten des Hexenglaubens schma
ler würde.»
KB schreibt (S. 451), dass unter der Herrschaft der Grafen von
Sulz (1507-1613) die ersten Meldungen über Hexenprozesse gescha-
hen, aber man vernimmt noch nichts von Hinrichtungen.
Längst waren anstelle der geistlichen Gerichte die weltlichen
getreten, die nach der «peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karl V.»
(1532) in solchen Kriminalprozessen vorzugehen hatten, aber, so ein
Rechtsgutachten von 1682, sich in allen dort geprüften 42 Vaduzer Pro-
zessen, nicht daran hielten, so dass alle 1677-1680 geführten Prozesse
als nichtig erklärt wurden.
Als «Hexen» bezeichnete man um diese Zeit nach dem Volks-
Aberglauben allgemein Personen (Frauen und Männer), die durch
Übereinkunft mit dem Teufel imstande seien, anderen Schaden zuzufü-
gen, sogar Ungewitter u. dgl. herbeizuführen, und die sich zu bestimm-
ter Stunde auf einem bestimmten Platz zum Teufelsdienste versammeln
mussten. Dieser Aberglaube mag aus der Erinnerung daran stammen,
dass im Paradies das Weib sich vom Teufel verführen liess. Er findet sich
bei den alten heidnischen Völkern und gingauch auf die Germanen über.
Auch bei den christlich gewordenen Völkern starb dieser Irrwahn nie
ganz aus, obwohl die Kirche gegen denselben auftrat. Von Zeit zu Zeit,
besonders in Zeiten von Krieg und Elend, trat derselbe immer wieder
hervor. So auch nach den Schrecknissen des dreissigjährigen Krieges, da
die Leute durch Not und Elend für den Aberglauben zugänglich gewor-
den waren. Mit dem Teufel in Bund zu treten galt als Abfall vom wahren
Glauben und wurde in früheren Zeiten von den geistlichen Gerichten
untersucht; später aber stand dieses Recht der weltlichen Obrigkeit zu.
Die zweite Welle der Hexenprozesse mit Folter und Hinrichtun-
gen begann - soweit die Akten ausweisen - bei uns 1634. Eine harte
Welle der Prozesse lief von 1648-1651. Es war am Ende des 30jährigen
Krieges.
© Noch lagen die Schrecken des schwedischen Einfalles und seine
traurigen Folgen auf dem unglücklichen Lande, als die Gerichtsleute
und Geschworenen der Grafschaft Vaduz eine Schrift an den Grafen
Franz Wilhelm eingaben des Inhalts: «Das Laster der Hexereı ıst soweit
eingerissen, dass sich der gerechte Mensch vor den Hexenleuten schmucken
muss, Sie bitten demnach, der Graf wolle dem Gericht und den Amtsleuten
Gewalt geben, das Übel zu strafen und zu unterdrücken, damit das Volk an
Ehre, Leib und Früchten gesichert bleibe.» Dem Begehren wurde entspro-
chen. Bald nahm die Angeberei so überhand, dass fast keine Familie ver-
schont blieb und das ganze Land in den schlimmsten Ruf kam, als ob
alles Gott und der hl. Religion abgeschworen und sich dem leidigen
Satan ergeben hätte.