Armut, Kriege und Notzeiten
höchst unerquickliches Verhältnis zwischen den regierenden Grafen
und ihren Untertanen. Die Landschaften leisteten Bürgschaft und Dar-
lehen für Kriegsschulden. Die Untertanen wurden mit Exekution
bedrängt. Es gab Unzufriedenheit und Unordnung, die kaiserlichen
Kommissionen von 1692 bis 1699 vermochten nicht mehr Abhilfe zu
schaffen.
Es kam zum Verkaufe der Herrschaft Schellenberg 1699 und der
Grafschaft Vaduz 1712 an die Fürsten von Liechtenstein, die reich und
nicht auf einen Ertrag aus dem nachmaligen Fürstentum angewiesen
waren. Man versuchte, die fast 100jährige Regierung der Hohenemser
vorzugsweise für den damaligen schlechten Zustand der beiden Land-
schaften verantwortlich zu machen und in deren Schuhe zu schieben.
Diese Auffassung ist nicht ganz zutreffend. An den Bedrängnissen des
17. Jahrhunderts sind die kriegerischen Zufälle an vielem schuld. Eine
entvölkerte und ausgesogene Landschaft war nicht imstande, die ihren
Herren schuldigen Abgaben aufzubringen, daher konnten diese ihren
weitgehenden Verpflichtungen auch nicht nachkommen und gerieten
wohl auch zum Teile deshalb, weil sie sich in ihre verschlechterte Lage
offenbar nicht hineinzufinden und den gewohnten standesmässigen
Aufwand nicht zu unterlassen vermochten, zum grössten Teile aber des-
halb, weil sie im Interesse der Landschaften zu Leistungen gezwungen
waren, für welche sie keinen Ersatz fanden, in so beträchtliche Schul-
den, dass es ihnen schliesslich unmöglich wurde, ihren Besitz zu hal-
ten.»
Not und Elend herrschten im ausgehenden Mittelalter nicht nur
bei uns, sondern allgemein im Rheintal. So heisst es in R. Aebi «Schloss
Forstegg» (1966) in bezug auf Sax-Forstegg im 17. Jahrhundert:
«Trotz der Tüchtigkeit der Zürcher Verwaltung, trotz Beihilfe und
milden Spenden herrschte grosse Armut in der Gemeinde. Der dritte Teil
der Bevölkerung war armengenössig. Eine massgebliche Ursache bildeten
die immer wiederkehrenden Verheerungen des Rheins und der Wildbäche.
Infolge der Vermehrung der Bevölkerung waren die Bauern des Rheintales
gezwungen, die Auen und Rieter für Wunn und Weid zu nutzen. Im Laufe
der Jahre hob sich die Flussohle, und die Dammbrücke und Hochwasser
wurden immer häufigr und schlimmer. Unter ungeheuren Opfern kämpf-
ten die Ufergemeinden gegen diese Wassernot.
Im Jahre 1712 herrschte Hungersnot im Lande und viel Familien
wanderten aus nach Ost-Preussen. Insgesamt waren es 35 Haushaltungen
mit 188 Köpfen, dabei waren beteiligt: Sax 124, Frümsen 23, Salez 33,
Haag 5 und Sennwald mit 3 Personen. Zürich sah sich veranlasst, einzu-
greifen und die Vorschriften über Schuldbetreibung zu mildern, sowie die
zurückgelassenen Güter während einer längeren Frist durch Vögte zu ver-
walten.»
Wie musste es erst hier beim Volke aussehen, wenn bei uns schon
der Landesherr überschuldet war?
In den Kriegen von 1405, 1446 und 1499 waren ganze Dörfer des
Landes niedergebrannt und ausgeplündert worden. Die Pest tat beson
ders in den Jahren 1611 und 1629 das ihre, dass sich das Land entvölker-
te. Die sog. Schwedenschuld von 8000 Talern —das ist der Betrag, der
1647 den Schweden bei ihrem Einfall ins Land zu bezahlen war, damit
sie wieder abzogen —musste die Landschaft zu zinsen und zahlen über
nehmen. Die Landschaft verteilte diese Last wieder auf die Gemeinden.
Die Schwedenschuld war 1800 noch nicht abbezahlt. und schon wieder