Bilder aus Kultur, Leben im Dorf und Volkswirtschaft
Vormundschaftswesen und ähnliches besorgte er mit dem Gericht, auch
das Steuerwesen und die Aufgebote der Mannschaft; er stand an der
Spitze derselben. Er vertrat in allen Fällen die Gemeinde und besiegelte
die öffentlichen Urkunden. Von der Herrschaft war er mit der Voll-
macht ausgerüstet, das Blutgericht zu halten.
Die besonderen Vorgesetzten, welche jede Nachbarschaft (Dorf)
hatte, oder die Geschworenen wurden von dem Landammann beeidet.
Um die Missverhältnisse, welche unter den Dorfleuten bestanden, und
die Streitigkeiten, die daraus entstanden, zu heben, sowie um den Ab-
und Einzug von einem Dorf in das andere, oder aus der Herrschaft und
in dieselbe und das Erbrecht und die Steuerverteilung zu regeln, traf
Ludwig von Brandis im Jahre 1496 besondere Anordnungen und bestä-
tigte der Landschaft ihre Rechte nach dem Schwabenkriege zum Lohne
für die Dienste, die sie im Felde geleistet und für die Treue, die sie der
Herrschaft bewiesen.
Die Landammanneinrichtung wurde 1733 eingeschränkt und auf
1. Jänner 1809 ganz aufgehoben. (Siehe hierzu ergänzend den Abschnitt
«Landammannregierung bis 1809» und «Gerichtsgemeinde».)
Die Polizeiordnungen
Zivilrechtliche Normen waren seit dem 16. Jahrhundert in den
Landsbräuchen aufgeschrieben. Die Juristen waren am römischen
Rechte geschult. Für Verbrechen sollte nach der Halsgerichtsordnung
Kaiser Karl V. (1519-56) geurteilt werden. Zuständig waren bis
1.1.1809 die Landammanngerichte.
Das tägliche Leben und die allgemeine Ordnung in den dörflichen
Verhältnissen sollten sogenannte Polizeiordnungen normieren. Kaiser
Maximilian erliess 1495 durch den Reichstag zu Worms einen sog. ewi-
gen Landfrieden, wobei für Übertreter schwere Strafen geseiz! wurden:
«Gegen das «abscheuliche Fluchen», welches amals sehr im
Schwunge war, und gegen das «Volltrinken» wurden scharfe Verordnungen
erlassen; denn unsere Vorfahren hatten neben vielen Tugenden gar rohe
Gewohnheiten. Der Aufwand bei Hochzeiten und die Kleiderpracht soll-
ten abgestellt und die Zigeuner überall ausgewiesen werden. Da man auch
den Wein nicht unverfälscht liess, ward geboten, man solle die Trauben
ohne Beisatz auf die Kelter legen, den Most rein lassen, ihn in reine Fässer
bringen und ihm keinen künstlichen Geschmack geben.» (KB 335)
1577 erliess der Reichstag zu Frankfurt eine neue Polizeiordnung, zu
welcher KB (S. 391) bemerkt: «So gibt diese Polizeiordnung ein treues Bild
von dem. sittlichen und esellschaftlichen Zustande, der damals hier
herrschte und von dem Geiste, mit welchem die Obrigkeit für ihre Unter-
gebenen sorgte. Sie betraf in erster Linie das Leben ım Dorfe und seine
Bräuche, eine Verordnung, die kaum je ehalten werden konnte. Sie
berücksichtigte die von Landschaft zu Landschaft anders gearteten Sitten
und Gewohnheiten nicht.» Sa
. Bischof Johann Flugi von Aspermont (1601-1 627) erliess ein ähn-
lich strenges Mandat an die Getsrlchkeit. en
. Diese alte Polizeiordnung von 1577 blieb bis ins 19. Jahrhundert
in Kraft: KB (S. 511) bemerkt hierzu für die Zeit um 1719 (Gründung
des Fürstentums Liechtenstein):
«Die alte Polizeiordnung wurde. im ganzen bestätigt, nur «das
abscheuliche Tabaktrinken» (so nannte man darnals das Rauchen) wurde
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