Bevölkerungsentwicklung
Es folgten Fussmärsche zu den Einsatzorten, manchmal drei oder
vier Wochen lang und so voll von Strapazen, dass einzelne ihnen nicht
gewachsen waren und schon dabei starben.
Auch sonst lauerten Gefahren. Grosses Aufsehen erregte ein
Flossunfall im Jahre 1755 im Rhein bei Balzers, bei dem ein Graubünd-
ner Rekrutendetachement unterging, das für den Dienst in den Nieder-
landen bestimmt war.
Auch wenn an den Standorten der Regimenter kein Krieg gewe-
sen ist, waren die Unterkünfte in Kasernen, verwahrlosten Häusern
oder Zelten so elend, dass Seuchen und andere Krankheiten viele unse-
rer Landsleute dahinrafften — wie wir aus den Totenmeldungen erken-
nen können, sicher viel mehr als in Schlachten!
Fern der Heimat und ihren Lieben ereilte sıe der Tod in furchtba-
rer Verlassenheit. Manchmal kam nicht einmal eine Nachricht von
ihrem Sterben in die Heimat.
Die Liechtensteiner kamen über Bündner Regimenter in die frem-
den Kriegsdienste. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (also nach
dem Elend des dreissigjährigen Krieges 1618-1648) kamen sie beson-
ders auf den Kriegsschauplätzen in Ungarn, den Niederlanden und Ita-
lien zum Einsatz. Werbende Staaten hatten mit Schweizer Ständen
«Militärkapitulationen» geschlossen und damit das Werben für Söldner
erlaubt. Regimentslisten, aus denen teilnehmende Liechtensteiner
ersichtlich sınd, sind lediglich eine für das Regiment Sprecher in den
Niederlanden und eine für Regimenter unter Napoleon bekannt.
«Naturgemäss sind die Namen der Heimkehrer nirgends erfasst, und
wir können die Zahl unserer Vorfahren im Solddienste höchstens an-
nähernd schätzen. Tausend werden es wohl mindestens gewesen sein.»
/O. Seger)
In den Totenregistern der Gemeinden sind für die Jahre 1674-
1857 total 176 Namen von Liechtensteinern eingetragen, die ın fremden
Kriegsdiensten verstorben oder gefallen sind.
Begonnen muss der fremde Kriegsdienst vereinzelt allerdings
schon früher haben; denn 1404 finden wır bereits 3 Bürger aus Schaan
und Vaduz vor, die sich für den Appenzellerkrieg anwerben liessen und
sogar eigene Harnische und Sold erhielten. Im Hohenemser Urbar von
1613 sind unter den Einkünften «Raisen, Raisgelder» enthalten, das sind
wohl Gebühren, die wie bei Auswanderern (Abzuggeld) oder dann von
den Werbern zu bezahlen waren.
1598 stellte Graf Ludwig von Sulz einem Triesenberger einen
Abschiedsbrief aus, nachdem er im 15jährigen Türkenkriege ihm treu
gedient. (Der Graf war Inhaber eines Regimentes deutscher Kriegs-
knechte.) Der Triesenberger (Frommelt) diente also seinem Landes-
herrn als Söldner im Auslande.
Am 15. März 1809 erlässt Fürst Johann I. ein Verbot fremder Wer-
oungen. Werber wurden hart bestraft (100 Stockschläge und zehnjäh-
rige öffentliche Arbeit ohne Unterschied der persönlichen Verhältnisse).
Liechtensteiner, die sich anwerben liessen, wurden als wirkliche Aus-
wanderer behandelt und verloren das liechtensteinische Bürgerrecht.
Die Totenlisten zeigen, dass trotzdem der Solddienst weiterging, beson-
ders im Kirchenstaate (Chronik Jos. Seli ermittelte deren bis 1870 allein
aus Triesen 12).
1849 verbot die Eidgenossenschaft alle Werbungen für fremde
Kriegsdienste. Damit war auch für die Liechtensteiner die Zeit vorbei,
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