Wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes
keineswegs durch Wandern, oder Arbeiten in besseren Werkstätten zu
ordentlichen Meistern qualificiren. Und so übt jeder das, was er gelernt zu
haben glaubt, ungehindert (es bestand keine Zunftordnung wie in Städten,
auch noch keine Gewerbeordnung). In diesem Sinne gibt es Bäcker, Sattler,
Schmiede, Schlosser, Wagner, Schreiner, Glaser, Schuster, Schneider,
Säkler, Weber, Stricker, Gärber und Metzger genug im Lande.
Hanf wird nur zum häuslichen Gebrauche gepflanzt, und Kohlge-
wächse, und Feldrüben, dann Fisolen, werden nur blos auf kleinen Beeten,
oder in Türkenfeldern geziegelt.
Der Heuboden nımmt den grössten Theil des Landes ein, daher die
Feldfrüchte sonderlich in Misjahren den Bedarf nicht decken, sondern der
Abgang jährlich aus dem Auslande mit beträchtlichen Kosten beigeschaft
werden muss.
Hauptprodukte sind Heu, und Wein, weswegen der Verkauf des letz-
teren, und die Viehzucht die vorzüglichsten Nahrungsquellen ausmachen.»
Georg Hauer inspizierte ab 19.6.1808 Liechtenstein. Die Lage
der Dinge ım Fürstentum fand er unvorstellbar primitiv: «Wenn der
Schöpfer seyn Schöpfungswerk vollendet und die ersten Menschen zur Kul-
‘ur des Bodens angesetzt hätte, so könnte man nicht weiter zurück sein.»
«Mit scharfem Blick erkannte der stolze Inspektor den Mangel an Berufstäti-
gen und das heillose Klebenbleiben am Stückchen Boden, der in endloser
Kette durch Erbschaft weiter aufgeteilt wurde, sodass die Grundstücke
minuziöse Formen annahmen; es gab Bäume, die 29 Inhaber haben, - und
der Hofrat fügte spottend hinzu, wenn die Besitzer sterben, so werden bei
zahlreichen Familien so viele Teilnehmer anwachsen, als Blätter am Baum
sind.»
Hanfspinnerin
Die Zeit der wirtschaftlichen Entwicklung
Die Zeit der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes von
1800 bis 1924 herauf ist aufs engste mit dem Fürstenhause verbunden.
E. H. Batliner schreibt dazu 1959:
«Die Geschichte des Fürstentums Liechtenstein ist zu einem grossen
Teil diejenige seines wirtschaftlichen Existenzkampfes. Wenn es aber diesen
Kampf mit Erfolg durchfechten konnte, so ist es nicht zuletzt dank der tiefen
und aufrichtigen Verbundenheit des Landes zu seinem Landesherrn sowie
der steten Grosszügigkeit des Fürstengeschlechtes von Liechtenstein ihrem
Lande gegenüber.
Es sei hier wiederholt, dass die drückendsten Probleme, die das Land
seit seiner Unabhängigkeit zu lösen hatte, nicht so sehr politischer Natur
waren. Wenn kein Ausweg zu finden war, konnte man letzten Endes an
den Landesfürsten appellieren, von dem das Land nicht nur weisen Rat-
schlag, sondern auch materielle Hilfe, meistens in Form von finanzieller
Unterstützung erhielt. So konnten wirtschaftliche Krisen mit ihren unab-
sehbaren Folgen stets gelindert oder sogar vermieden werden.
Ich erwähne hier als Beispiel die Begebenheiten des vergangenen
Jahrhunderts und auch insbesondere die Kreditkrise, die nach dem ersten
Weltkriege in Erscheinung trat. Der Landesfürst trat in diesem kritischen
Augenblick als Kreditvermittler auf und übernahm damit schlechthin die
«Funktion» einer Bank. Das einzige Bankinstitut (die heutige Liechtenstei-
nische Landesbank) hatte seinerzeit nur die Aufgabe, den Landesbewoh-
nern Gelegenheit zu bieten, ihre Ersparnisse sicher und zn anzt-
legen sowie der Landwirtschaft, dem Gewerbe und dem Handel die Befrie-
Sr