Rhein und Rüfen
fluss wird Rüfe genannt, er reisst bald da, bald dort aus, und wenige
Gegenden sind in der Fläche dieses Landes näher am Berge vor ihm sicher.»
Katastrophale Rüfeniedergänge zerstörten immer wieder Äcker
und Wiesen, überschütteten die für den Transithandel wichtige Land-
strasse und bedrohten die Dörfer. Trotz der jährlichen Rüfennieder-
gänge begann der Mensch erst spät sich zu wehren. Dies hatte verschie-
dene Gründe: Rüfen richteten nie so allgemeinen Schaden an, wie die
Wasser des Rheins, und somit hatte die Allgemeinheit weniger Interesse
an der Rüfeverbauung. Ausserdem bestand von altersher die Auffas-
sung, dass man der Rüfe ihren Lauf lassen müsse. Denn wenn die Rüfe
durch einen Privaten an einer Stelle aufgehalten würde, könne sie einem
andern Schaden zufügen. Auch war man der Ansicht, dass die Urgewalt
mit Opfern, die dem Wert des geschützten Bodens in keiner Weise ent-
sprächen, nicht vordringlich zu begegnen sei. «Zuerst dem Rhein und
nachher den Rüfen wehren.» Ein weiterer, wohl der wichtigste Grund
für die Vernachlässigung des Rüfeschutzes lag in den Rheinschutzauf-
gaben, die alle Kräfte der Einwohner beantspruchten (JBL 72).
Einzig die Gemeinden Vaduz und Schaan mussten sich schon in
früheren Jahrhunderten - ähnlich wie beim Rhein - zum Schutze der
Dörfer mit Steinwuhren gegen ausbrechende Rüfen erwehren (Dux-
Tid-Mühleholz und Spania-Rüfe).
Die Zunahme der Bevölkerung, die um 1800 noch weitgehend
bäuerlich geprägt war, verlangte nach immer grösseren Flächen Kultur-
land. Da der Rhein in jener Zeit durch vermehrte Einbrüche, Über
schwemmungen und Rückstaus immer stärker die Talsohle versumpfte,
waren die Bewohner gezwungen, sich stärker dem Schutz des bergwärts
gelegenen Kulturlandes zuzuwenden, indem sie sich bemühten, den
Rüfen Herr zu werden.
In Triesen sah es besonders katastrophal aus. Der Rhein hatte den
Unterdörflern die Rheinwiesen weggenommen, Siedlungen vernichtet
und sie auf das Kulturland am Berg zurückgedrängt. Das Kulturland am
Berg war das Gebiet des Lehens Meierhof und jenes vom Dorfbach bis
an die Feldrüfe (Schindelholzbach) hinaus. Das Ziel der Rüfebauten
musste nun darin bestehen, Siedlung und Dorf vor Verrüfnung zu schüt-
zen, ebenso die Landstrasse als wichtigen Transithandelsweg zu erhal-
ten.
Die Rüfen bedrohten die Landstrasse und damit die Verbindung
der Gemeinden untereinander. So heisst es in einem Bericht von 1815
dazu (JBL 1975):
«Die Strassen sind ım ganzen, sonderlich die Hauptstrasse im guten
Zustand, und werden durch periodische Beschutterung im fahrbaren
Stande erhalten, nur unterliegt letztere, ob der herrschaftlichen Bürstwal-
dung einmahl, im Orte Nendeln einmahl, zwischen Nendeln und Schaan
an zwei Orten, zwischen Schaan und Vaduz einmahl, zwischen Vaduz und
Triesen einmahl, zwischen Triesen und Balzers zweimahl, also im ganzen
auf acht Orten der Rüfeverwüstung, wodurch sie bei starken Gewittern oft
im Jahre bald da, bald dort durch klaftertiefe gewaltsame Ausrisse, oder
eben so hohe Steinaufhäufungen, und das reissende Gebirgswasser auf
mehrere Tage unfahrbar gemacht wird, und dann, um die Communication
nicht zu hemmen, immer schnelle, und mit bedeutenden Kosten wieder
hergestellt werden muss. Dieses bleibende Uibl lässt sich auf keine Art
abwenden.»
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