Volltext: LGU Mitteilungen (1991) (19)

LGU-Mitteilungen August 1991 Thema: Stau, Lärm, Abgase, Sommersmog Das Luftreinhaltegesetz in Liechtenstein sagt es deutlich: der Stundenmittelwert von Ozon von 120 µg/m³  darf nur einmal pro Jahr überschritten werden. Doch die Realität sieht ganz anders aus. In den Sommermonaten wird der Grenzwert laufend überschritten. Im Juli wurden Spitzenwerte bis zu 157 µg/m³  gemessen. Der Grenzwert für Stickoxide im Jahres- mittel liegt bei 30 µg/m³. An der Linden- kreuzung in Schaan wird dieser Wert um mehr als das das zweifache überschritten. Selbst in 90 Meter Entfernung an der Kirchstrasse liegt die Schadstoffbelastung noch über dem Grenzwert. Gesundheitliche Folgen können bei sol- chen Schadstoffbelastungen nicht mehr ausgeschlossen werden. Ab einer Bela- stung von 160 µg/m³ 
Ozon treten bei emp- findlichen Personen (5-15 % der Bevöl- kerung) Augenbrennen, Hustenreiz, Re- duktion der Lungenfunktion bei grosser körperlicher Anstrengung auf. Viele rea- gieren auch schon vorher. Die Landwirte erleiden Etragseinbussen. Durch das re- duzierte Wachstum der Pflanzen unter starker Ozoneinwirkung sinkt der land- wirtschaftliche Ertrag beispielsweise von Sommerweizen um 5-15%. Über das Zusammenwirken verschiedener Schad- stoffe in der Luft, die Bildung neuer che- mischer Verbindungen und deren kombi- nierte Folgen für die menschliche Ge- sundheit herrscht weitgehend Unklarheit. Der Liechtensteiner Ärzteverein warnt denn auch vor körperlichen Anstrengun- gen an «Ozontagen». Vor allem Kleinkin- der, Alte und Menschen mit empfind- lichen Atemwegen erleben heisse Som- mertage als Angriff auf ihre Gesundheit. 
Stickoxide gegen orga- nische Verbindungen ausspielen? Mit Massnahmen gegen den Sommer- smog tim sich die Behörden jedoch schwer, weil nach wissenschaftlichen Er- kenntnissen beide Vorläufersubstanzen des Ozons, nämlich Stickoxide und flüch- tige organische Verbindungen (VOC), gemeinsam reduziert werden müssten, damit die Ozonwerte nicht zu hoch an- steigen. Die beiden Substanzen stammen jedoch mehrheitlich aus unterschied- lichen Quellen: die Stickoxide vor allem' aus dem Verkehr, die VOC insbesondere aus Industrie und Gewerbe (Lösungsmit- tel u.a.). Das gibt nun der Autolobby ein willkommenes Argument, um gegen ein- seitige Massnahmen zur Verkehrsein- schränkung (Fahrverbote, Temporeduk- tionen) zu polemisieren. Die Stickoxide aus den Autoauspuffen werden fast schon als Segen im Kampf gegen das Ozon dar- gestellt. Dazu gibt es vier Punkte zu er- wähnen: 1. Auch die Stickoxide stellen eine ernst- zunehmende Belastung für unsere Luft dar. Wer an Hauptverkehrsachsen wohnt, wird das Auto nicht als Segen für unsere Luft erleben. 2. Temporeduktionen und vor allem Verkehrseinschränkungen helfen mit, den  VOC-Ausstoss zu reduzieren, denn immerhin stammt ein Viertel der VOC aus dem Verkehr. 3. Es ist sehr kurzsichtig, wenn die Stick- oxide gegen 'die organischen Verbindun- gen ausgespielt werden. Vernüftiger wäre es mit Sicherheit, auch die zweite Schad- stoffgruppe zu reduzieren, anstatt alles 
beim Alten zu belassen. Denn die Luft insgesamt muss besser werden. 4. Es ist immer wieder erstaunlich, wie kurz das Gedächtnis ist. Nach den Ener- giekrisen der 70er Jahre, den massiven schadstoffbedingten Waldschäden, der sich anbahnenden Klimakatastrophe und einem für die regionale Bevölkerung ver- lustreichen und ökologisch verheerenden Krieg für Öl hat das Energiesparen noch immer nicht den gebührenden Stellen- wert. Es geht bei der Luftreinhaltung nicht nur um Stickoxide, flüchtige organi- sche Verbindungen und Ozon, sondern auch um das Kohlendioxid, das den Treibhauseffekt (Klimaveränderung) an- heizt und welches beim Verbrennen von Öl,. Benzin oder Gas freigesetzt wird. Dieses Problem wird uns langfristig gese- hen vermutlich noch mehr beschäftigen als die derzeitige Schadstoffbelastung der Luft. Luftreinhaltepolitik: wirksam, aber schleppend Es wäre verkehrt, würde man nicht ge- wisse Erfolge in der Luftreinhaltepolitik anerkennen. Zu erwähnen sind beispiels- weise die strengeren Abgasvorschriften für Motorfahrzeuge und Feuerungsanla- gen. Auf der anderen Seite ist es bedau- erlich, dass wir heute ein Ozonproblem haben, welches mit rechtzeitigen, energi- schen Massnahmen in dieser Form gar nicht auftreten müsste. Das Prozedere ist äusserst schleppend. Man fragt sich, wes- halb beispielsweise Gaspendelleitungen bei Tankstellen, wie es in Kalifornien seit vielen Jahren üblich ist, nicht bereits obli- gatorisch sind. Gerade dieser Tage hat die Regierung einen Vernehmlassungsbericht über die Verschärfung der Luftreinhaltevorschrif- ten an interessierte Kreise geschickt. .Es ist vorgesehen, die VOC-Emissionen der Quellgruppe Industrie/Gewerbe bis zum Jahr 2000 von 650 Tonnen auf 450 Ton- nen pro Jahr zu reduzieren. Bis dahin sollten auch die übrigen VOC aus dem Verkehr, den Feuerungen und Haushal- ten von 450 Tonnen auf 250 Tonnen pro Jahr reduziert sein. Es werden somit nach heutigen Berechnungen im Jahr 2000 noch etwa 700 Tonnen VOC emittiert - damit sind wir aber vom anvisierten Stand von 1950 (schätzungsweise 300 Tonnen) noch weit entfernt ! Es ist ganz offensichtlich, dass die bisher getroffenen Massnahmen, ja selbst die neu vorgeschlagenen Luftreihaltevorschriften  nicht genügen, um die Luftqua- lität der 50er Jahre wiederherzustellen.
	        

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