mit dem Direktor Augustin Knapp und eine Aufnahmeprüfung bei Frater Modestus.
War die ungewohnte Umgebung oder der schwarze Talar der Fratres schuld, das
Ergebnis der Prüfung war auf jeden Fall nicht besonders schmeichelhaft. Ich wurde
aber trotzdem aufgenommen. Damals habe ich die erste Erfahrung gemacht, und
später ist es mir zur Gewissheit geworden, dass Aufnahmeprüfungen kein objek-
tives Bild geben.
J/om nächsten Morgen an begann der Schulalltag in der Villa Blanca. Die Schule
wurde in diesem Jahr (1938/39) in vier Klassenstufen geführt. Alles in allem mag sie
atwa 35 bis 40 Schüler gezählt haben. Die erste Klasse mit einem Dutzend Schüler
war die grösste. Der Schulbetrieb war, anders als ich es von der Volksschule her
gewohnt war, in keiner Weise autoritär. Freilich darf man daraus nicht auf das
Gegenteil schliessen. Wenn ich einen Vergleich ziehen darf, man fühlte sich in einer
Atmosphäre des Vertrauens aufgehoben, ähnlich wie in einer grossen Bauernfamilie,
von der ich herkam. Die Lehrer, zu Beginn ausnahmslos Fratres, waren nicht
zahlreich. Sie unterrichteten, wenn es nötig war, ausser in Ihren angestammten
-ächern, mehr oder weniger in fast allen andern, und, soweit sie nicht Opfer des
Krieges wurden, blieben sie ihrer Klasse viele Jahre, wenn möglich bis zur Matura
arhalten. Um ein paar Beispiele zu geben: Frater Modestus, der uns in der ersten
Klasse mindestens in einem halben Dutzend Fächern unterrichtete, führte uns in der
Chemie bis zur Matura; Frater Ingbert gab uns Latein von der 2. bis zur 8. Klasse;
Frater Felizian lehrte uns Physik und Mathematik von der 5. bzw. 4. Klasse bis zur 8.‘
nn Englisch hatten wir nur einen Lehrer, die emsige Arbeitsbiene Frater Willibald.
Am meisten Eindruck machte auf uns Frater Ludwig, der 1943 im Krieg an der
Ostfront gefallen ist. Er unterrichtete uns in Deutsch, Geschichte, Religion, Natur-
kunde und dazu alle Klassen in Turnen. Wenn er in der Geschichte mit seiner
gewaltigen Stimme die alten Sagen erzählte, erschien er uns wie die lebendige
Verkörperung des Helden, von dem er redete. Von Frater Ludwig und nach ihm von
“rater Ingbert wurde bei uns Schülern das Interesse und die bleibende Freude an der
>flanzenwelt Liechtensteins geweckt. Am meisten impoMierte uns Frater Ludwig in
der Freizeit, im Turnen und im Sport. Bei einer Schneeballschlacht waren drei, vier
Klassen zusammen seiner gefürchteten Wurfkraft nicht gewachsen. Sein Turnunter-
icht führte uns zur Begeisterung für den Leistungssport, die mich zumindest bis
1eute nicht verlassen hat. Was wir am Collegium Marianum im Turnunterricht, der
Jnvergleichlich besser war als an anderen Schulen des Landes, gelernt hatten,
<onnten wir in unserem Dorf an die andern weitergeben, vor allem bei den Pfadfin
dern, die jedes Jahr ihren Leichtathletiktag hatten.
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Das Wort «Leistung», hinter das gewisse Psychologen heutzutage gern ein Fragezei-
sahen setzen, war damals nicht nur im Turnen und Sport grossgeschrieben. Auch in
den andern Fächern stand der Wettbewerb hoch im Kurs. Frater Ingbert, den wir in
seiner vollen jugendlichen Dynamik geniessen durften, die ihn bis zum Sterben nicht
ganz verliess, veranstaltete mehrere Wochen hindurch einen Wettkampf zwischen
den verschiedenen Klassenstufen in unregelmässigen lateinischen Verben. Was
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