Volltext: 125 Jahre Harmoniemusik Vaduz 1863-1988

zuverlässigen Kenner beurteilen und richtig 
benennen zu lassen. Die fürstliche Domänenver- 
waltung sollte fachliche Untersuchungen anstel- 
len lassen, insbesondere auch über die «schlimme 
Seite unserer Weine». Gemeint ist der Umstand, 
dass diese schon im August und September 
«rückwärts gehen und auffallend an Güte verlie- 
ren». 
Auch eine Weinpansch-Affäre erregt die Gemü- 
ter. Weinhändler aus Ragaz und Trübbach sollen 
neuen Vaduzer Kretzer gekauft und diesen in ihre 
mitgebrachten Fässer geleert haben, in denen sich 
«noch etliche Viertel *) alter, verdorbener, essig- 
saurer Kretzer befanden». Die Händler sollen 
auch «ordinären weissen Wein» in den Kretzer 
gemischt haben. Der Zeitungskorrespondent 
weist zurecht darauf hin, «dass ein solcher Misch- 
masch, den man vielleicht auswärts für Vaduzer 
ausschenken möchte, den anerkannten Ruf unse- 
res Weines beeinträchtigen muss». Die betreffen- 
den Weinhändler bezeichnen diese «schauerliche 
Geschichte» als Lüge. Sie hätten lediglich circa 
105 Mass **) recht guten Bündner Sauser, der 
dem Vaduzer in Nichts nachstehe, in ihre Fässer 
verteilt. Die Gewährsmänner des Berichterstat- 
ters, vier Vaduzer Bürger, halten ihre Behauptun- 
gen aufrecht und sind bereit, vor Gericht zu 
gehen. 
Ein Besuch in der erwähnten Landwirtschaftsaus- 
stellung vermittelt auch ein Bild des Obstbaus in 
der Gemeinde. Der Vaduzer Oberlehrer Hinger 
hat die Obstausstellung im Schulzimmer aufge- 
baut. Eine Vielzahl von Sorten an Wirtschafts- 
obst (zum Dörren, Mosten, Kochen) und feinem 
Tafelobst ist in der Sammlung von Vaduz vertre- 
ten. Selbst der Herr Landesverweser ist an der 
Konkurrenz beteiligt und stellt «wirkliche 
Prachtsexemplare» an Äpfeln aus. Neben Apfeln 
und Birnen finden sich auch Quitten, «Paradies- 
äpfel» und sogarFeigen! Oberlehrer Hinger zeigt 
«ein 25 Nummern zählendes, nach Klassen 
geordnetes und pomologisch richtig benanntes 
Sortiment von Äpfeln und Birnen» sowie «einen 
Katalog über die in seiner Baumschule ange- 
*) 1 Viertel = ca. 14 Liter 
#1 1 Mass = ca. 1,4 Liter 
pflanzten 23 Äpfel- und 23 Birnensorten . . . unter 
3eigabe des Lokal-oder Provinzial-Namens und 
der entsprechenden Notizen». Auch beim Obst 
wird eine «grosse Namenverwirrung» beklagt. 
Wiederholte Ausstellungen sollen «Ordnung in 
dieses Chaos bringen». Klagen werden auch laut 
ber Obstdiebstähle, «denn nicht nur die lüsterne 
Jugend, sondern auch viele begehrliche Erwach- 
sene betrachten die Obstbäume und deren 
Erträgnis als gemeinschaftliches Gut». Gefordert 
werden «exemplarische Geld- oder Gefängnis- 
strafen gegen Obstdiebe und Baumverderber» 
und der Einsatz «verpflichteter Feldhüter»! 
Nur wenige Fluren in Vaduz sind für Acker- und 
Gemüsebau geeignet. InFrage kommen teilweise 
die Altzehntlagen und etwas erhöhtes 
Schwemmland in der Talebene, insbesondere in 
Rheinnähe. Eine solche ältere, früher als Gemein- 
denutzen verteilte Ackerflur, ist das «Mühlehöl- 
zli». Hauptsächlich angebaut werden Mais und 
Kartoffeln. Über die «Türkenkultur» ist in der 
Landeszeitung zu lesen: «Unsere Leute bauen 
ahraus jahrein den herrlichsten Türken auf dem 
gleichen Boden, von Fruchtwechsel keine Rede, 
höchstens wird einmal mit Weizen oder Roggen 
abgewechselt. Diese Resultate verdanken sie ein- 
zig dem vorzüglichen Verfahren in der Düngung 
des Maisfeldes, indem bei der Aussat in jedes Saat- 
loch ein Kübel voll Abtrittgülle gegossen und 
dann das Samenkorn erst eingelegt wird. Im 
Sommer werden die Pflanzen mit dem gleichen 
Dünger noch ein Mal begossen. Das Verfahren ist 
zostspielig, aber von eclatantem Erfolg begleitet.» 
An der Landesausstellung sind neben Mais, Kar- 
‚offeln, verschiedenen. Getreide- und Gemüse- 
sorten auch Hanfstengel, Hanffasern und feiner 
Flachs, weisse Mohnsamen, Raps- und Leinsa- 
men samt daraus hergestellten Ölen zu sehen. 
Der landwirtschaftliche Verein hat die Einfüh- 
zung der Seidenraupenzucht angeregt. Hofka- 
plan Fetz, «für landwirtschaftliche Fragen über- 
haupt interessiert», greift diese Anregung auf und 
möchte zum Vorteil der Hofkaplaneipfründe 
Maulbeerbäume anpflanzen. Er bittet die Regie- 
rung um Erlaubnis, Pfrundgelder (20-30 Gulden) 
für den Ankauf verwenden zu dürfen. Der 
Bescheid der staatlichen Aufsichtsbehörde über 
das Pfrundvermögen ist ablehnend.
	        

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