Erinnerungen an die erste Zeit nach
dem Zollanschluss
Nach dem Abschluss des Zollanschlussvertrages mit dem
Fürstentum Liechtenstein ging es noch geraume Zeit, bis
seitens der Zollverwaltung Genaueres über eine künftige
Verlegung der am Rhein gelegenen Grenzwachtposten auf
liechtensteinisches Hoheitsgebiet durchsickerte. Man mun-
kelte dies und jenes und wurde schliesslich überrascht, als
man kurz vor dem Umzug stand.
Zum Glück bestand damals der Hausrat eines gewöhn-
lichen Grenzwächters nur aus wenigen Möbelstücken, und
die Dienstkleider hätte man über dem Arm leicht transpor-
tieren können. Schliesslich war es dann soweit, dass mitten
im Winter, am 3.Januar 1924, vor meinem Wohnhaus in
Haag ein Pferdeschlitten ankam. Man half sich gegenseitig,
die schweren Stücke auf das Schlittengespann zu laden. Auf
einem zweiten Schlitten nahm dann auch meine Frau Platz,
in Decken gehüllt, denn sie ging damals zum zweiten Mal
in die Hohe Zeit. Dieses Schlittengespann wurde vom
Nachbar zur Verfügung gestellt, der es sonst zum Sägeholz-
schleppen brauchte. Meine Frau bekommt heute noch einen
Minderwertigkeitskomplex, wenn sie daran denkt. Eine
andere Grenzwächtersfrau, die ebenfalls bald Mutterfreuden
entgegenging, durfte eben in einer richtigen Kutsche fahren.
Fort ging es nun aus einem nicht eben reichen Land-
strich im sanktgallischen Rheintal in einen nicht gerade
üppigeren hinüber. Zuerst holperten die losen Bohlen der
Rheinbrücke unter den Pferdetritten, und ich höre noch
heute die Rosse in der klirrenden Januarkälte schnauben.
Drüben, jenseits des Rheins, war ein Land, in welchem die
Zeit während Jahrzehnten stillegestanden zu sein schien. Die
Bevölkerung lebte vorwiegend von der eigenen Scholle,
wenn möglich noch ärmer als in dem von der Stickerei-
krise geschüttelten Werdenberg, woher wir kamen. Man sah
es überall. Liechtenstein war eben im Wirtschaftsraum
eines vom Kriege niedergestreckten Landes miteinbezogen
gewesen.
Heutzutage wissen es unsere jungen Grenzwächter, wO-
hin sie ihr Haupt hinlegen werden, wie die gute Stube ein-
gerichtet wird und wie viele Zimmer das neue Zuhause auf-