Vorbemerkung
Die allgemeine Krisenstimmung, die Liech-
tensteins Bevölkerung nach dem Ersten Welt-
krieg erfasst hatte, bewirkte in der Arbeiterschaft
ein Streben nach einem organisatorischen Zu-
sammenschluss ihrer Kräfte. Das Umfeld der
tiefgreifenden politischen Unzufriedenheit und
der wirtschaftlichen Notlage führte in den Jah-
ren 1919 bis 1921 zu teils recht vehement ge-
führten innenpolitischen Auseinandersetzun-
gen. Durch Aufmärsche, Resolutionen und
Kundgebungen - vorwiegend zur Frage der Ver-
Fassungsrevision und zu der wirtschaftlichen
und aussenpolitischen Neuorientierung —- gab
die von Wilhelm Beck gegründete und geführte
politische Opposition ihrem Unmut Ausdruck.
Diese Oppositionsbewegung hatte schon wäh-
rend des Krieges erkannt, dass die Arbeiter-
schaft ein wichtiges Potential in den bevorste-
henden Auseinandersetzungen darstellte. Zwar
bemühten sich Regierung, Landtag, Ortsvorste-
hungen und auch die Gesandtschaft in Bern um
eine Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten
und der sozialen Absicherung. Einerseits wurde
dies versucht, indem im Lande selbst die Ent-
wicklung von Betrieben gefördert wurde, ande-
rerseits strebte man danach, für Liechtensteiner
Arbeitsmöglichkeiten in der Schweiz zu sichern.
Die Bemühungen der liechtensteinischen Re-
gierung führten zwar zu einigen Verbesserun-
gen für die Lage der Arbeiter Liechtensteins. In-
folge der politisch aufgewühlten Stimmung und
der wirtschaftlichen Unsicherheiten entstanden
aber für die Verantwortlichen heikle Situationen.
Die Regierung äusserte vor allem wegen der in
der Schweiz arbeitenden Liechtensteiner Be-
denken, da diese ihrer Ansicht nach «zumeist
sozialdemokratischen, wenn nicht noch weiter
nach links hin neigenden Ansichten» huldigten.
Die Gründung des «Liechtensteinischen
Arbeiterverbandes»
Regierung und Landtag bekamen denn auch
harsche Reaktionen aus Arbeiterkreisen ein-
drücklich zu spüren. Die politisch allgemein un-
ruhige Zeit der Jahre 1918 bis 1921 wirkte sich
auch auf die Bestrebungen der Arbeiterschaft
aus, ihre wirtschaftlich unsichere Lage zu ver-
bessern. Dies führte zu Beginn des Jahres 1920
zu organisierten Zusammenschlüssen der Ar-
beiter und Arbeiterinnen.
Im Januar 1920 meldete Oswald Kindle aus
Triesen der Regierung die Abhaltung einer
öffentlichen Versammlung der «Arbeiter Liech-
tensteins» im Schulhaus in Triesen auf Sonntag,
den 25. Januar, an. Als Veranstalter wurde die
«provisorische Arbeitervereinigung» Liechten-
steins angegeben. An dieser Versammlung, die
von Oberlehrer Emil Risch präsidiert wurde,
nahmen etwa 150 Personen teil. Begründet
wurde dieser Schritt damit, dass in Liechtenstein
die soziale Arbeitsgesetzgebung «noch ganz im
Argen liege». Vor allem durch die einschneiden-
den Auswirkungen der Kriegsfolgen - genannt
wurde etwa die «ganz unhaltbare» Lebensmit-
telverteuerung — sahen die Arbeiter die Not-
wendigkeit gekommen, sich zusammenzu-
schliessen. Schon in dieser vorbereitenden Ver-