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habe. Dieser Ueberlieferung tritt eine andere Sage zur Seite,
die ebenfalls in Mähren zu Hause ist, wonach einst ein Liech
tenstein mit sechs schneeweißen Hirschen nach Jerusalem ge
fahren sei.
Desgleichen lassen wir die Angabe des Rüxnerischen Tur
nierbuches dahingestellt, daß ein Sigmund von Liechtenstein zu
Murau im Jahr 932 dem Turnier in Rothenburg beigewohnt
habe. Da dieses Turnier selbst zu den hundert Erfindungen
des genannten Buches gehört, so fällt damit auch die Nach
richt in Betreff des Liechtensteiners.
Dennoch wollen wir dergleichen Phantasien, Sagen und
Nachrichten nicht unbemerkt vorüber gehen lassen, denn wenn
sie uns auch keinerlei Ausbeute für die Geschichte geben, so
zeigen sie doch den Ruhm und Glanz des Hauses. Der Kranz
der Sage ist ein Nimbus, der nur erlauchte Häupter umstrahlt.
Lassen wir also alles dieses dahingestellt, ohne uns die
Mühe zu nehmen, es kritisch zu beleuchten, so darf dasselbe
doch nicht mit einer anderen Behauptung geschehen, welche
Historiker von Fach getheilt haben, und welche sogar heute
noch in dem neuesten großartigen genealogischen Werkes zu
finden ist.
Wir meinen die Abstammung des fürstlichen Hauses
Liechtenstein von den Kuenringern, eine Ansicht, die schon im
15. Jahrhundert in der Form einer bestimmten Erzählung auf
tritt. Diese Erzählung findet sich in der alten Oesterreichi
schen Chronik des Kloster-Neuburger Prälaten Jacob P und
lautet so:
„Popp, Ertz-Bischoff zu Trier, ein andächtiger ehrsamer
„weiser Fürst, Herr Leopolds deß Schön Marggrafcn in
') C. Hopf, historisch-genealog. Atlas!. 175.
2) Der Löblichen Fürsten und deß Lands Oesterreich alt Her
kommen und Regierung. Basel 1491. — Pez, Scriptores, rerum Austria
carum I. 1012. — Wurmbrand, Collectanea 185. — Vgl. Hormayr
a. a. O. 9.