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Söhne zum Pfande zurücklassen. Er lösete sie aber bald
wieder ein.
Auch dieses traurige Ereigniß brach Ulrichs ritterlich
poetischen Sinn noch nicht; erst die nachfolgenden politischen
Begebenheiten, die ihn in die öffentlichen Dinge mit hinein
zogen und das kommende Alter, denn er stand um die Fünf
ziger, scheinen die Poesie mehr und mehr zur Ruhe gelegt zu
haben. Der Frauendienst erzählt uns von äußeren Begebenheiten
weiter nichts, wohl aber bringt er uns zum Schluß noch einige
Lieder, aus denen wir ersehen, daß Ulrichs Herz noch immer
den Frauen zugekehrt ist, aus denen wir aber zugleich erkennen,
wie es damals in Oesterreich und Steiermark, wo Raub an
der Tagesordnung war, mit dem fröhlichen, sanges- und tur
nierlustigen Rittertreiben zu Ende gegangen. Als er diese Lieder
sang, sagt er, war die Freude krank in Steter und Oesterreichs);
alle lebten trauriglich, die Reichen waren böse und übelgelaunt
und befehdeten einander, der Fraucndienst lag darnieder, die
Jugend verschwendete ihr Gut und verlegte sich wieder auf den
Raub; am Schlüsse räth er sogar den Frauen sich vor den
Männern zu hüten, weil sie zuchtlos, ungefüge und treulos
seien und nur darauf dächten, die Frauen mit List und Kunst
zu betrügen. Welch ein anderes Bild, welche andere Zustände
in diesen Landen sind es, wie sie Ulrichs Jugendtreiben' und
ritterliche Fahrten vor uns entrollt haben!
Noch viel schlimmer schildert uns Ulrich die socialen
Zustände in seinem zweiten kleineren Gedicht „Frauenbuch" * 3 ),
welches er zwei Jahre nach dem ersten abfaßte. Er selbst sagt
am Schlüsse des Frauendienstes 4 ), er sei dreiunddreißig Jahre
1) Min süne beide und ouch zwei kint heißt es im Frauendienst
547, 25. Oben hat sick) Pilgerin nur eines Sohnes bemächtigt. Der eine
der beiden Söhne ist Otto, dessen Alter mit dem hier Erzählten überein
stimmt; des anderen Namen wissen wir nicht.
2) Frauendienst 55t, 27.
3 ) Der vrouwen büoeh, Lachmann 594 ff.
4 ) 592, 3.