Volltext: Liechtenstein in Europa

bei Steuern, Staatsverträgen und Militärfragen, und man strebte nach Emanzipation von der Hofkanzlei. Die Ministeranklage freilich dege­ nerierte zur Anzeige beim Fürsten. Der Landesverweser erhielt das Gegenzeichnungsrecht des konstitutionellen Ministers, als der sich Hausen seit längerem schon gebärdete. Die Verfassung von 1862 Ein leider bislang unbekannter deutscher Jurist präsentierte eine Neu­ fassung auf der Grundlage der Sigmaringer Verfassung von 1833 — abermals zeigte sich der südwestdeutsche Kleinstaat als geeignetes Vorbild: der Fürst wurde zum pouvoir neutre im Sinne Constants — bemerkenswert das Einrücken eines Schiedsverfahrens nach altem Stil in das Verfassungsrecht, also die Benennung dreier souveräner Staaten durch die Landstände, unter denen der Fürst einen auswählen konnte. Immerhin gewannen die Landstände die Verantwortlichkeit des Landesverwesers. Aber Linde suchte möglichst viel von den alten Prärogativen des Fürsten festzuhalten: Gesetzesinitiative, Verfügung über das Militär, vor allem die Notstandsklausel für Krisensituatio­ nen und die Autonomie der Nachfolgeregelungen im Hause von den Entscheidungen des Landtags — in einer Situation, in der die Stellung der Landessouveränität auf der Position des Fürsten im Bunde ruhte, eine nicht ganz abwegige Überlegung. Auch war für Linde typisch, dass er allemal dem gut funktionierenden Staat im Sinne einer funk­ tionalen Restauration den Vorzug vor den Freiheitsrechten des Volkes gab in einer merkwürdigen Mischung zwischen doktrinärer Über­ betonung und pragmatischer Kompromissbereitschaft. Andererseits ist zu, sagen, dass allzu starke Demokratieforderungen mit dem Notabeincharakter des Landes und den Ausschliesslichkeitstendenzen der Gemeinden zusammenstiessen: Immerhin ergab sich ein tragfähi­ ger Kompromiss, und der Fürst, der sich zuletzt weitgehend heraus­ gehalten hatte, unterzeichnete am 26. September 1862, die letzten Kompromissvorschläge aufgreifend126. Linde sah etwas resigniert den allzu weit gehenden Räum für liberale Tendenzen — Hausen, der längst die Rolle des stärken konstitutionellen Ministers zu spielen getrachtet hatte, war wohl der Erfolgreichere127. 126 Druck: Liechtenstein Politische Schriften 8, S. 273—294. 127 A. Schädler, Die Thätigkeit des liechtensteinischen Landtags, in: JBL 1 (1901), S. 81— 176, hier: S. 84—89. 94
	        

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