Volltext: Liechtenstein in Europa

Mit dem neuen Fürsten Johann II.116 begann zwar auch eine «Neue Ära» für Liechtenstein. Sie wurde aber partiell immer wieder abge­ bremst durch den enormen Einfluss des Bundestagsgesandten Linde, der die alten Praktiken des Bundes und die Revolutionsfurcht ver­ körperte. Ein neues Schulgesetz und die Freigabe des Weges zu einer erneuerten Verfassung leiteten die Modernisierung ein. Bemerkenswerterweise erklärten die Landstände auf dem ausseror­ dentlichen Landtag am 3. März 1859 ihre Inkompetenz für die Re­ form und forderten eine neue Landesversammlung, die kompetentere Leute wählen sollte: also ein Rückgriff auf das revolutionäre Muster von 1849. Der Landesverweser drängte auf Befassung und verwies auf das Modell der Hohenzollern-Sigmaringer Verfassung von 1833117, obgleich dieser Staat mittlerweile in Preussen aufgegangen war118. Dies hing möglicherweise mit dem Regierungsamtsadjunkten Markus Kessler119 zusammen, aber Sigmaringen galt längst als ein einiger- massen vergleichbarer Staat120. Menzinger formulierte einen Entwurf und formte den neuen Landrat nach den alten Landständen, so dass er selbst die Schlüsselrolle in einem Scheinparlamentarismus spielen konnte. Die Gesetzgebung sollte sich an Österreich anschliessen, der Bund als Garant und Schiedsrichter bei Verfassungskonflikten wir­ ken. Aber die Entwicklung kam nicht voran, das Land wurde un­ ruhig, ein Besuch des Fürsten weckte Hoffnungen, doch Linde bestand auf strikter Beachtung der österreichischen Entwicklung — er er­ 119 K. v. In der Maur, Johann II. Fürst von Liechtenstein: Ein Gedenkblatt zum 50jährigen Regierungsjubiläum, in: JBL 8 (1908), S. VII—XXX. — K. Hoss, Fürst Johann II. von Liechtenstein und die bildende Kunst, 1908. — F. Wil­ helm, Fürst Johann II. von Liechtenstein, in: Neue österreichische Biographie 1815—1918. Erste Abt., 7. Bd., 1931, S. 180—190. — J. Ospelt, Erinnerungs­ blatt zum hundertsten Geburtstage des Fürsten Johann II., in: JBL 40 (1940), S. 5—17. — A. Feger, Johann II. Fürst von Liechtenstein, in: JBL 29 (1929), S. 13—42. 117 Druck der hohenzollern-sigmaringischen Verfassung von 1833: K. H. L. Pölitz u. F. Bülau: Die Verfassungen des deutschen Staatenbundes seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 2. Abt., 1847, S. 1226—1259. Dazu: S. Graf Adelmann von Adelmannsfelden, Die Grundlagen der Verfassung und des Ver­ waltungssystems der hohenzollernschen Fürstentümer, Diss. Greifswald 1899. 118 Die Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen und von Hohenzollern-Hechingen hatten sich dem Königreich Preussen angeschlossen, um damit einen ersten Schritt zur nationalen Einigung Deutschlands zu tun. 118 Markus Kessler wurde nach seiner Rückkehr in die Heimat Bürgermeister von Sigmaringen. 120 Der Vorbildcharakter der hohenzollernschen Verfassungsentwicklungen für das Fürstentum Liechtenstein war schon lange deutlich. Dabei spielte natürlich das grössere und entwickeltere Sigmaringen eine stärkere Rolle als Hechingen. 91
	        

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