Volltext: Liechtenstein in Europa

geboten hatte: erst jetzt erwarb der Bundestag vollends seinen reak­ tionären Zug, da er rücksichtslos noch einmal das monarchische Prinzip durchsetzte93. Er bildete den sog. «Reaktionsäusschuss», der in diesem Sinne die einzelstaatlichen Verfassungen durchforstete. In Liechtenstein war bereits nach 1850 der Landtag nicht mehr ein­ berufen worden: in der ihm-eigenen geschickten Art liess ihn Alois II. de jure weiterbestehen und den Landratsausschuss amtieren — gegen­ läufige Petitionen wurden missachtet. Sicher spielte dabei auch die Beamtenvertreibung von 1848 eine Rolle, aber es liegt nicht ganz ferne, dass man bewusst die Liechtensteiner die Folgen auskosten lassen wollte. Menzinger und die Hofkanzlei, nicht zuletzt auch der Fürst, wussten überdies, dass man in einer Zeit, in der die Entwick­ lung rückläufig war, am besten grundlegende Entscheidungen ver­ mied. Alois II. beriet im Juni 1852 mit dem Landesverweser Menzin­ ger und dem Kanonikus Wolfinger94 die Verfassungsfrage: sich dem Stil des österreichischen Neoabsolutismus annähernd, hob er die Er­ rungenschaften von 1848/49 unter Berufung auf Wien und Frankfurt wieder auf. Die Entwicklung in Vorarlberg sollte zum Massstab werden95. 
So kehrte man pro forma zur Verfassung von 1818 zurück — daneben blieb der Landrat weiter de jure bestehen, ohne je einbe­ rufen zu werden. Einen Teil der Errungenschaften behielt der Fürst bei. Der Bundestagsgesandte Holzhausen äusserte sich befriedigt über diese Massnahmen. Die Liechtensteiner nahmen die Entwicklung zunächst klaglos hin. Dies ist nicht verständlich ohne die Erfahrungen, die im grösseren Rahmen gemacht worden waren.. Die ersten Bewegungen hatten über den Lokalpatriotismus, der wöhl noch nicht einmal ein Landespatrio­ tismus war, bereits in atemberaubender Schnelligkeit zu einem deut­ schen Nationalgefühl geführt, diffus noch, undifferenziert, die mög­ lichen politischen Implikationen noch nicht einbeziehend, die Ronse­ quenzen des Nationalstaats noch nicht durchdenkend. Der Weg des liechtensteinischen Erweckers Peter Kaiser mag die Problematik illu­ strieren. 93 E. E. Kraehe, A history of the German Confederation 1850—1866, 1948. — A. O. Meyer, Bismarcks Kampf mit Österreich am Bundestag in Frankfurt (1851 bis 1859), 1927. — L. Gäll, Bismarck.' Der weisse' Revolutionär, 
51983, S. 127—172. 84 Geiger, Geschichte, S. 281. 85 Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 4, S. 342^—351. 82
	        

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