Volltext: Liechtenstein in Europa

war aber auch einmalig in dem, was sie politisch erreicht und ange­ regt hat. In der Polis der Blütezeit kam es zu einer einzigartigen Harmonisierung von Macht und Freiheit, zu einer frühen Verwirkli­ chung einer Ordnung, in welcher die Gesetze (der Nomos im umfas­ senden Sinne) die Macht gebändigt haben. In der Auseinandersetzung mit dem Gelingen und Scheitern der verschiedenen Verfassungen haben die grossen griechischen Staatsdenker ein Wissen und eine Weisheit von den politischen Dingen entwickelt, die über die Jahr­ hunderte hinweg menschliches Denken und Tun immer wieder neu angeregt, gelenkt, befreit und geläutert haben.10 Wo sonst ist von Völkerschaften von dieser Kleinheit je eine solche Strahlung über die Jahrtausende hinweg ausgegangen? Man hat die Politik des Aristo­ teles auch noch im 20. Jahrhundert als «Stahlbad des politischen Den­ kens» bezeichnet. Man müsste länger bei der Polis und ihren grossen Denkern und bei ihrem grossen Deuter Jacob Burckhardt verweilen. Man müsste hier auch auf das chinesische Denken eingehen: Für Lao-Tse und Aristo­ teles darf ich aber verweisen auf die schöne Studie von Graf Mario von Ledebur-Wichein über «Die optimale Dimension als Problem der politischen Philosophie».11 Am Anfang der jüngeren europäischen Geschichte aber steht nun allerdings eine politische Ordnung von ganz anderer Art: das spät­ römische Reich, ein Grossstaat, ja ein Weltreich in der Form einer Einheitsmonarchie. Hatten die Reformen Diokletians die Reste älterer kleinstaatlicher Formen beseitigt, so öffnete in der Folge der grosse Prozess der Des­ integration, der zum Untergang des Weströmischen Reiches führte, den Weg neu: einerseits für die Vorstufen der späten nationalen Monarchien, andererseits für neue Formen von kleinräumigen Ge­ meinwesen: die spätrömischen Städte in Italien und Gallien, — jenes wunderbare Wiederaufblühen des Lebens in den Städten nach Jahr­ 10 Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte, Bd. I, .Der Staat und die Religion, 2. Abschnitt, Die Polis (Kröner, S. 55ff.); Viktor Ehrenberg, Der Staat der Griechen, 1964, S. 32ff., 107ff.,,290ff.; zur neueren. Polisforschung im Anhang S. 303ff.; W. G. Forrest, Wege zur hellenistischen/Demokratie, 1966; J.-J. Chevallier, Histoire de la pens£e politique, Bd. I, 1. Buch, La Cit£-Etat, S. 15ff., 1979. 11 Liechtenstein Politische Schriften,, Bd. 6, 1976. 18
	        

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