Volltext: Liechtenstein in Europa

eher Funktion in Ruggell26. Eschen Hess 1894 seine Kirche durch die Stuttgarter Architekten Kleber und Beytenmiller entwerfen.27 Die Kirche von Bendern ist 1875 und 1979 umgebaut und vergrössert worden.28 Natürlich stand hinter den grosszügigen Kirchenbauprojekten auch die Freigebigkeit von Fürst Johannes II. (1840—1929), der beson­ ders um die Jahrhundertwende mit grossen Geldspenden derartige Vorhaben unterstützte und führende Architekten aus Wien als Pro­ jektverfasser verpflichtete. Der Optimismus aber und der beinahe unerklärbare demokratische Wille, in kleindörflichen Verhältnissen Kirchenbauten zu errichten, die in ihrer Dimension weit über das Mass des funktionell Notwendigen hinausgingen, weist auf ein neu gewonnenes Selbstvertrauen hin. Ein bescheidener Wohlstand ver­ pflichtete die Gemeinden, die materiellen Errungenschaften in sakra­ len Bauten zu überhöhen. Insgesamt wirken derartige kulturelle Aktivitäten vor hundert Jahren geradezu modellhaft für die heutige der Orientierung offenbar beraubte Wohlstandsgesellschaft, die nach dem Verlust von Mitte und Kohärenz Gemeindezentren baut; die Dörfer selbst aber zerfransen in ihrem optischen Bild in einer vom Profit vermarkteten Landschaft, den Waldrändern und Berghängen zu. Der ersten Phase eines wirtschaftlichen und kulturellen Aufstieges Liechtensteins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte während des Ersten Weltkrieges (1914—1918) und in den Jahren danach eine schwere Krise. Die Geldentwertung in der darniederlie­ genden Habsburger Monarchie und der ersten Republik Österreich verursachten in Liechtenstein den Verlust des gesamten Sparvermö­ gens der Bevölkerung in der Höhe von etwa 25 Millionen Schweizer­ franken, eine für die damalige Zeit ungewöhnlich hohe Summe. Schon während des Krieges musste die Baumwollindustrie wegen Rohstoffmangel ihre Betriebe schliessen. Im Lande selbst kam zur wirtschaftlichen Not die politische Ratlosigkeit beim Suchen nach Wegen, die Liechtenstein aus einer verderblichen Isolation nach dem 26 Erwin Poeschel, a.a.O., 1950, 269; Alois Ospelt, 100 Jahre Pfarrkirche Ruggell 1874—1974, 52ff. 27 Erwin Poeschel, a. a. O., 1950, 229ff.; Gedenkschrift zur Renovation St. Martin Eschen, 1977/1979, 7ff. 28 Erwin Poeschel, a. a. O., 1950, 246ff. 119
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.