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einziges Mal vor Abschluß der Untersuchung einvernommen
worden ist, das Heißt, soweit er in Frage kam, furchtbar ive-
nig die Tätigkeit des Untersuchungsrichters in Anspruch
nahm. Ich möchte bitten, daß ihm diese Haft voll angerechnet
wird, auch wenn er einen Teil davon im Ausland überstan-
den hat. Denn der-Sinn jener Bestinimung ist, daß solche
Haft nur dann nicht eingerechnet wird, wenn sie durch Flucht
ins Ausland selbst verschuldet wurde, was hier nicht zutrifft.
Ein Milderungsgrund besteht auch darin, daß der Beklagte
„mit freiwilliger Enthaltung" die Zufügung größeren Scha
dens vermieden hat. In dieser Richtung hat Carbone in der
mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß er beim
Vermittlungsgeschäft in der Koburgsache den Provisionsschein
von 100 000 Mark ohne weiteres zurückgegeben hat, obwohl
zivilrechtlich diese Provision mit Geschäftsabschluß für ihn ver
dient gewesen wäre. Nun meine Herren, ich Habe in letzter
Stunde noch eine Begutachtung meines Klienten verlangt,
es geschah auf Grund von Mitteilungen, die ich in letzter
Stunde erhielt, und das Gutachten ist -verlesen worden. Ich
spreche nicht mehr vom Verhältnis meines Klienten zu Beck
ich möchte jede Enipfindlichkeit und jede Nervosität vermeiden.
Wollen Sie nachlesen, was Beck in dieser Richtung getan und
was bereits durch die Fragestellung eines Verteidigers abge
klärt wurde. Bezüglich meines Klienten bitte ich auf Pag. 12
Gutachten nachzulesen, wo die Aerzte als „zweifellos" er-
klärten, daß, nachdem sie die verheerenden Wirkungen des
Morphinismus auf Denkungsart und Handlungsweise, auf
die Zurechnungsfähigkeit und wie die Dinge alle heißen, fest
gestellt haben, daß sie erklärten, daß bei Rodolfo Carbone
ähnliche Erscheinungen des Morphinismus vorhanden waren,
und zwar schon zur Zeit seiner „strafbaren Begangenschaften".
Das erscheint den Sachverständigen „zweifellos". Meine
Herren, ich gehe daher nicht zu weit, wenn ich sage, daß nach
meiner Laienauffassung in dieser Richtung jedenfalls an die
unterste Grenze der. Zurechnungsfähigkeit, um mich auszu
drücken, zu gehen ist. Das österreichische Recht kennt, soviel
ich gesehen habe, das Wort „verminderte Zurechnungsfähig
keit" nicht, jedoch den Begriff und die Kommentare setzen weit
läufig auseinander, daß es auch nach österreichischer Auffas
sung verschiedene Grade.der Zurechnungsfähigkeit gibt. Und
in dieser Hinsicht möchte ich bitten, das ärztliche Gutachten
demgemäß bewerten und Ihre Schlüsse ziehen zu wollen.
Jetzt kommt der Schluß.
Und nun, meine Herren, 1va§ bleibt von allem zusammen
übrig? Es mag' ja, damit komme ich zum Schlüsse, fast para
dox klingen, wir führen hier einen Strafprozeß und ich habe
soviel von zivilrechtlichen Bestinmuingen und patentrechtlichen
Ausführungen bringen müssen. Warum, weil diese Momente
im Gegensatz zu den andern Angeklagten bei meinem Klien
ten eine ganz entscheidende Rolle spielen. Durch Mißachtung
dieser zivil- und patentrechtlichen Bestimmungen fügt man
meinem Klienten Carbone ein großes, bleibendes Unrecht zu.
Ich habe daher die dringende Bitte an Sie zu richten, prüfen
Sie dieses Material in seiner Gesamtheit und ich bin sicher,
daß dann auch von höchster Stelle aus ein ^twas freundliche
rer Blick meinem Klienten geschenkt werden wird. Man wird
einsehen, daß Carbone, man mag ihn anschauen wie man will,
entsprechend diesem Aktenmaterial korrekt vorgegangen. ist.
Ich möchte Sie bitten, wohlwollend Sinn und Zweck dessen
zu prüfen, was in den Verträgen und Zessionen, in den Be
gleitschreiben und Vollmachten von Mutter an Sohn nieder
gelegt ist und wollen Sie dabei Art. 18 des schweizerischen
Obligationenrqchtes nicht ganz vergessen. Wenn Redaktions
mängel da sind, sie sollen keinem der Angeklagten zur Last
fallen. Bedenken Sie, daß diese drei oder -vier nicht Juristen
sind, und gehen Sie daher nicht mit Argusaugen an die Prü
fung dieser Dinge, sondern mit demjenigen Blick, wobei man
sich sagt, ich versuche die Leute zu verstehen und zu erfassen,
was sie mit diesen Schriftstücken gewollt haben. Dann glaube
ich, kommen Sie sicher zur Feststellung, daß patentrechtlich
uni» zivilrechtlich die Angelegenheit'betreffend Carbone in
Ordnung ist und daß man ihn einen Betrüger nicht
nennen darf. Nennen Sie ihn meinetwegen einen Bruder
Leichtsinn oder wie Sie wollen, nennen sie chn einen Ver
schwender. einen sinnlosen Verschwender, wie es auch stimmt,
aber, meine Herren, das sind doch keine Betrüger, und erin
nern Sie sich an dasjenige, was mehrere Personen sagen und
auch in den Akten steht, er habe Geld verschwendet, das ist
begreiflich, wenn man diese Erziehung kennt, aber er ist „ein
guter, aufrichtiger Kerl". Und aufrichtige Leute sind doch keine
Betrüger. Meine Herren, vom sichern Port läßt sich's gemäch
lich raten heute haben wir ein Bild finanzieller Zer
störung vor uns, wie es meine Herren Kollegen schon zuge
geben und geschildert haben. Ich bitte Sie, tragen Sie aber
nicht diese heutige Auffassung zur Beurteilung in jene Zeiten
hinein, sondern denken Sie sich zurück und hinein in die
Lage jedes einzelnen der Angeklagten, loie sie damals war,
dann werden Sie unendlich vieles besser verstehen und sich
bei den vielen Schwierigkeiten, die ja immer wieder.eintra
ten, sagen müssen, ja, nach damaliger Auffassung und mit
den Augen eines Angeklagten gesehen, läßt sich in Gottes
Namen vieles zu deren Gunsten auslegen. O, wie glücklich
wäre ich, könnte ich schließen mit einem Appell an Land und
Leute von Liechtenstein, wie es so wunderhübsch von meinen
Herren Vorrednern geschehen ist, und wie glücklich wäre ich,
könnte ich wie Sie Schriftsteller wie einen I. C. Heer in die
ser glänzenden Weise zitieren. Hier sitzen Leute, die mit dem
Land verbunden sind und mit dem Volk und deren Vertei
diger hoffen, daß ihnen baldige Rückkehr zu diesem Volke be
vorstehe. Sie haben Frau und Kind, die Kummer und Sor
gen mit ihnen teilen und die Hälfte des Grams für sich- zu
tragen begehren. Aber mein Klient, wie ein Entwurzelter
steht er da, deraciné, wie der Franzose sagt.'Und statt eineß
I. C. Heer müßte ich vielmehr jene russischen Schriftsteller
zitieren, die mit so unnachahmlicher Plastik und Wucht da§
Schicksal eines verpfuschten Menschenlebens, das Ringen einer
verzweifelten Seele zu zeichnen verstehen. Perlassen von
allen Freunden, die den Luxus einst rnit ihm geteilt, steht
er da, in der Not gehen hundert Freunde aus ein Lot. Aber
das alles läßt sich rroch ertragen, denn Freunde zu verlieren,
ist nicht das Schlimmste. Aber wenn das Menfihenantlitz
fehlt, das sonst den süßen Namen „Mutter" trägt, dann,
möchte ich sagen, stockt nachgerade auch einem Verteidiger das
Blut in seinen Adern. Anderthalb Jahre ist Carbone in Haft
ohne jeden Besuch und ohne jedes Trostwort von Seite der
jenigen, die jeder sonst mit Freuden „Mutter" nennen darf.
Sie aber hat ihr .Kind nicht nur vergessen, ihr Kind,-das sie
einst unter dem Herzen getragen, nein, sie bedroht es sogar
und erscheint mit ihrem Anwalt auf der Bildfläche, um gegen
dasselbe zu zeugen und dabei Dinge zu deponieren,-die nach
meiner Auffassung mit den Akten in grellstem Widerspruche
sind, und kurz vor der Verhandlung schreibt sie einzig und
allein ihrem Kinde ein Brieflein vom 13. November, den ich
hier Ihnen zeige, ohne Anrede, wünsche Dir für die nächsten