Ausgangsbasis einer möglichen Eherechtsrefortm
stem zutiefst erschüttert und den auf strenge Katholizität bedachten
Staat mit seinem konfessionell determinierten Eherecht in arge Ver-
legenheit gebracht. Mit der Anerkennung und Forderung des Rechts
auf Religionsfreiheit als eines allgemein gültigen und verbindlichen
Prinzips für die Ausgestaltung der staatlichen Rechtsordnung hat die
katholische Kirche endgültig von der lange vertretenen doppelbö-
digen Lehrmeinung Abschied genommen, wonach sie «eigentlich»
als Staatsreligion anzuerkennen sei und nur notfalls, gewissermaßen
«uneigentlich» ein paritätischer, auf dem Grundsatz der Religions-
freiheit aufbauender Status hingenommen werden könnte !.
Die Kirche ist sich heute wohl bewußt, daß eine kirchliche An-
spruchshaltung, die den konfessionellen, geistigen und gesellschaft-
lichen Konstellationen des Staates nicht mehr entspricht, jeder Über-
zeugungskraft entbehrt. So ist denn auch das Priesterkapitel jüngst
bereits dazu übergegangen, ihren bisherigen Standpunkt — jedenfalls,
was die Eheschließungsform betrifft — vorsichtig zu revidieren ?
$ 4. Die rechtliche Ausgangsbasis
einer möglichen Eherechtsreform
[. Für den Staat: Die Verfassung
Der Staat weist als souveränes Gemeinwesen jedem einzelnen, wie
auch der Kirche in der Verfassung den gebührenden Platz zu. Diese
souveräne Rechtshoheit ist aber nicht schrankenlos, sondern findet
an den allgemeinen überpositiven Rechtsgrundsätzen, die mit den
allgemein anerkannten ethischen Fundamenten des in Frage stehenden
Kulturkreises identisch sind, ihre Grenzen ®. Die Grenzziehungsbefug-
nisse des Staates zwischen staatlichen und kirchlichen Belangen leiten
sich aus der Verfassung ab und haben sich in deren Rahmen zu halten.
Im « verfassungsfreien Raum» *, wo es den Kirchen frei steht, ihre An-
gelegenheiten nach eigenen Normen zu regeln, die nicht mit der Ver-
ı So HoLLERBACH, VVDSiRL 69.
* Vgl. die Ausführungen im Kirchenblatt für die katholischen Pfarreien im
FL «In Christo» vom 18. Oktober 1969, Jg. 33 Nr. 21.
3 So QuArıTscH 275 mit Literaturangaben.
+ QuaRrRITscH 276.
IE