Vorbemerkung
Die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Situation ist dadurch cha-
rakterisiert, daß die katholische «Landeskirche» aus den historischen
Bindungen an bedeutende Überreste des Staatskirchentums und der
staatlichen Kirchenhoheit noch nicht entlassen ist und weiterhin in die
5ffentliche Ordnung des politischen Gemeinwesens eingespannt bleibt.
Eine eigentliche ausdrückliche Selbstbestimmungsfotmel fehlt der
Verfassung, doch darf daraus nicht kurzerhand der Schluß gezogen
werden, daß dieses Recht den Kirchen nicht zukomme *. Dieses
Kapitel beschränkt sich in den großen Zügen auf die katholische
Kirche, aus deren, verfassungsmäßiger Rechtsposition ein kirchliches
Selbstbestimmungstecht in eigenen Belangen — trotz des noch hör-
baren fremdartigen Untertones eines Staatskirchentums — in Rücksicht
auf den Systemzusammenhang herauszulesen versucht wird. Es müs-
sen ihr ureigenste, hoheitliche Funktionen zugestanden werden,
die ihr aus der geschichtlichen Überlieferung eignen, denn ihre innere
Ordnung ist Ausfluß ursprünglicher Herrschaftsgewalt.
Dem Rechtsstatus der Kirchen entsprechend weist die kirchliche
Selbständigkeit eine unterschiedlich graduierte Bedeutung auf. Wäh-
rend die von der katholischen Kirche gesetzten Normen wegen ihres
«status publicus» vom Staat als «objektives, öffentliches Recht, als
ihre Angehörigen unmittelbar bindende Anordnungen» taxiert wer-
den 2, ist das von den evangelischen Kirchen im Lande statuierte
Recht für den Staat lediglich statuarisches oder Verbandsrecht, d. h.
es kann erst aufgrund gerichtlicher Feststellung durchgesetzt werden.
Man wird zufolge der Sinneinheit des Art. 37 Abs. 2 5. 2 der gelten-
den Verfassung annehmen dürfen, daß das Selbstbestimmungsrecht
auch den evangelischen Kirchen zuzuerkennen ist, obwohl sie nicht
auf einer ebenbürtigen, gleichen verfassungsrechtlichen Stufe mit
der katholischen Kirche stehen, und das Staatskirchenrecht der
: Dies wird im folgenden dargelegt.
* Mıxar, Religionsgemeinschaften 173.
>» So Mıxar, Religionsgemeinschaften 173; EBErs, StuK 255 £., derselbe Nipp
Gr II 388.
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