Volltext: Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein

Glaubens- und Gewissensfreiheit 
in konfessioneller Hinsicht überholt zu sein. Doch finde ich einen 
Hinweis auf die Verletzung der Bekenntnisfreiheit religiöser Minder- 
heiten, die zum Besuche konfessioneller Schulen angehalten sind, 
angebracht, da diese Seite des komplexen Schulproblems leicht über- 
sehen werden könnte. 
Man muß ohne Absttich dafürhalten, daß die Verfassung der 
katholischen Kirche ein schutzwürdiges Interesse im Erziehungs- 
und Unterrichtswesen einräumt und ihr den legitimen Platz anbietet *. 
Die besondere Sorgfaltspflicht des Staates für eine «religiös-sittliche 
Bildung» steht denn auch in völligem Einklang mit dem kirchlichen 
Heilsauftrag. Dieses verfassungsmäßig geschützte Interesse hat aber 
im Schulgesetz einen zu einseitig konfessionellen — bloß aus der 
Entstehungsgeschichte zu erklätenden ? — Anstrich erhalten. 
In Anbetracht der zunehmenden Promiskuität der Konfessionen 
und des Grundrechts der Bekenntnisfreiheit der Eltern bzw. ihrer 
Kinder drängt sich die Frage auf, ob der Staat nicht gehalten ist, die 
Konfessionsgebundenheit der öffentlichen Schulen preiszugeben. 
Aus der Verfassung kann jedenfalls kein Recht begründet werden, 
das Erziehungs- und Unterrichtswesen ganz im Sinne der einen 
katholischen Religion zu gestalten 3%. Überdies sollte das Grundrecht 
der Bekenntnisfreiheit Gewähr dafür bieten, daß niemand durch 
staatliche Gesetze zum Besuche von öffentlichen Schulen verpflichtet 
werden kann, die konfessionell ausgerichtet sind, wenn der betref- 
fende Erziehungsberechtigte damit nicht einverstanden ist. Bis heute 
ist aber die Situation so, daß konfessionsfremden Schülern der Volks- 
schulbesuch aufgenötigt wird. Ausweichmöglichkeiten für bekennt- 
nisfremde Minderheiten in entkonfessionalisierte oder in ihrem 
Bekenntnisse gehaltenen Schulen bestehen im Lande selber nicht. 
Am nächsten und zweckmäßigsten ist eine Lösung, die darin be- 
steht, den materiell konfessionell-katholischen Charakter der öffent- 
lichen Schulen aufzugeben und sie in «christliche Schulen» umzu- 
wandeln, die dem Christentum — wie der Name besagt — geöffnet sind. 
In diese Richtung weist ein Vorstoß des Gesetzgebers, der in 
jüngster Zeit * den Begriff der «religiös-sittlichen Bildung» weiter 
ı Vgl. A 19 Art. 15 in Verbindung mit Art. 37 Abs, 2 S. 1. 
2 Siehe zur Entstehungsgeschichte vorne 118 Fußn. 7. 
3 Siehe die Tendenzen bei der Verfassungsgebung in Kap. I/$ 9 I. 
+ Vgl. etwa B 122 Art. 12 Ziff. a. 
121
	        

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