Religionsfreiheit
2. Abschnitt:
DIE RELIGIONSFREIHEIT IM GELTENDEN RECHT
Aus dem Grundrecht der Religionsfreiheit in Art. 37 der Verfassung
lassen sich als Einzelbestandteile herauslesen: die Glaubens- und Ge-
wissensfreiheit (Bekenntnisfreiheit), die Kultusfreiheit und als drittes
Element die aus diesen beiden gewährleisteten Freiheitstechten resul-
Herende religiöse Assoziationsfreiheit, d.h. das Recht zur Bildung
von religiösen Verbänden.
Den Aussagegehalt der hier proklamierten Religionsfreiheit ins
richtige Licht zu setzen, dürfte sich als schwierig erweisen. Unmittel-
bar im Anschluß an den Verfassungssatz der Glaubens- und Gewis-
sensfreiheit ist als Überleitung zur Kultusfreiheit in den Kontext die
Statuierung der katholischen Landeskirche als ein den Staat verpflich-
tendes Verfassungsgut eingeschoben worden. Die Frontstellung des
religiös einheitlich geprägten Staatskirchensystems gegenüber ande-
ren Religionen ist bekannt *. Als ein zählebiges Erbstück dieser Epo-
che hält sich eine übetrspitzt interpretierte Vorrangstellung der katho-
lischen Religion unter Zurücksetzung der anderen Konfessionen in
der Rechtsprechung 2. Anderseits kann nicht übersehen werden, daß
Art. 37 einen Auftakt im Sinne einer Öffnung des Staatsgebietes für
andere Religionen darstellt. Eine Akzentverschiebung in Richtung
auf eine freiere Gestaltung der Staatskirchenordnung, m. a. W. eine
Ausweitung der Religionsfreiheit (zieht man, die bisherige Entwick-
{ung in Betracht) ist nicht nur zum Programmsatz, sondern zu einem
ınabdingbaren Rechtsgut der Verfassung erklärt.
Will man den Sinn und Gehalt der Religionsfreiheit in all ihren
Schattierungen recht in den Griff bekommen, ist es unerläßlich, den
gesamten Komplex des Staatskirchenrechtes nach Anknüpfungspunk-
ten abzustecken. Das Unbehagen in einzelnen Teilgebieten des Staats-
kirchenrechts (vor allem im Eherecht), das durch die Diskrepanz
zwischen Verfassungswortlaut und -wirklichkeit des Grundrechts der
Vgl. vorne $ 4/11 2.
; So im Gutachten des Staatsgerichtshofes vom 1. September 1958, in: Samm-
lungen der Gerichtsentscheide 132, Vaduz 1963,
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