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VOLK, SPRACHE, SPRUCH UND BRAUCH IN LIECHTENSTEIN
EINE SKIZZE
Prof. Dr. Eugen Nipp
Die Lage Liechtensteins am Eingangstor zu
den Bündner Alpenpässen bedingt zu einem
erheblichen Teil Ursprung, Sprache und
Kultur des Liechtensteiner Volkes. So viel
gestaltig die geologische Struktur des klei
nen Landes, so mannigfaltig sind auch diese
drei Wesenspunkte. Mehrere Völker dürf
ten Anspruch auf unsere Vorahnenschaft
erheben. Bei den römischen Schriftstellern
scheint für die damaligen Bewohner unseres
Alpenteils mehrfach der Name Räder auf.
Welchem Volke diese angehörten, ist noch
ungeklärt. Erwiesen ist nun durch unsere prä
historischen Ausgrabungen, daß im i. Jahr
tausend v. Chr. die Invasion eines Volkes
stattfand, das wir dem veneto-illyrischen
Kulturkreis zuzuweisen haben. Anderseits
lassen sich auch ligurische Spuren bis in die
Alpen herauf verfolgen. Neuerdings taucht
auch wieder die Etruskerfrage auf. Diese
Völker — nennen wir sie also Rätier — ha
ben uns Spuren ihrer Sprache hinterlassen.
Wir finden in Liechtenstein gerade in den
Alpen und an den Hängen der Ausläufer
des Rätikon noch Orts- und Flurnamen mit
so ausgesprochen altertümlichem Charakter,
daß vielleicht einstens von der Sprachwis
senschaft der Erweis der Zugehörigkeit zu
dem oder jenem Volke erbracht werden
kann. Auch das große Volk der Kelten
spielt bei uns eine Rolle. Sie saßen nördlich
und westlich von uns schon zur Zeit, als man
für unsere Gegend noch von Rätern sprach.
Das bezeugen Orts- und Flurnamen wie
Winterthur, Zürich, Thun, Thur in der
Schweiz, ferner Kempten, Iller, 111, Frutz,
Lutz im Allgäu und in Vorarlberg. Daß
aber auch bei uns Kelten saßen oder kel
tischer Einfluß herrschte, beweisen Namen
wie Bendern, Nendeln, wahrscheinlich auch
Esche, Eschen, Schaan u. a., ferner Balma,
Balmatobel (vergleiche dazu Diegisbalm in
der Innerschweiz und Baume in der West
schweiz). Der keltische Gattungsnamen
Benna ist bei uns noch ziemlich verbreitet.
Auch der Name Rhein, der in Graubünden
und Oberitalien ziemlich häufig ist, wird
als keltisch angesprochen. Man braucht also