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WIR UND DIE NACHBARN
Regierungschef Alexander Frick
Als erstes muß ich wohl das Thema etwas
besser umreißen. Nicht über die kulturellen,
verwandtschaftlichen und freundschaftlichen
Beziehungen und Bindungen, die das liech-
tensteinisdie Volk mit seinen direkten Nach
barn, also den St. Gallern, den Bündnern
und den Vorarlbergern, von jeher unterhielt
und in der Gegenwart unterhält, soll ich
berichten, sondern über das Verhältnis un
seres Staates zu den beiden Nachbarstaaten,
also zur Schweiz und zu Österreich. Mit
einigen Sätzen möchte ich einleitend skiz
zieren, wie Liechtenstein, die Schweiz und
Österreich überhaupt Nachbarstaaten wur
den:
Unter den alten Grafen von Bregenz, deren
letzter Sproß im Jahre 1056 das Zeitliche
segnete, und auch noch zu Beginn der Epoche
der Grafen von Montfort bot unser Rhein
tal beidseitig des Flusses ein einheitliches
politisches Bild, denn vom Bodensee bis
weit ins Bündnerland hinauf gehörte so
ziemlich alles diesen mächtigen Grafen
geschlechtern. Im 13. Jahrhundert setzten
dann im Hause der Montforter die vielen
Gebietsteilungen hauptsächlich als Folge
von Erbgängen ein, die allmählich das ein
heitliche Bild zerstörten und in den nach
folgenden Jahrhunderten eine immer bunt
scheckiger werdende Landkarte zur Folge
hatten. Im Rheintal entstanden so die vielen
kleinen Grafschaften, Herrschaften, Vog-
teien. Dieser Teilungstendenz verdankt auch
die Grafschaft Vaduz ihr Entstehen. Am
3. Mai 1342 teilten auf Schloß Sargans die
gräflichen Brüder Hartmann und Rudolf von
Montfort ihren Besitz. Das rechtsrheinische
Gebiet fiel Hartmann zu. Graf Hartmann
wählte die Burg Vaduz als Residenz, und
damit war die Grafschaft Vaduz entstanden.
Der Rhein wurde damit politische Grenze
und ist sie seither geblieben. Die Werden
berger und die Vorarlberger wurden unsere
Nachbarn, denn auch die Bildung der Herr
schaft Schellenberg und deren kaiserliche
Anerkennung erfolgte bald danach. Unsere
heutigen Gebietsgrenzen waren somit bereits
festgelegt.