VI. Abschnitt.
Lhurrätiens Zustand unter den sächsischen
und salisch-fränkischen Kaisern. 911—1137.
1. Die Stände.
Am tiefsten standen die Leibeigenen (Mancipien). Sie
hatten kein Eigentum, darum waren sie mit ihrer Hände Ar
beit dem Herrn eigen. Sie hatten von demselben nichts an
zusprechen als den Unterhalt. Sie waren Knechte, denen der
Herr Kost, Kleidung und Obdach gab, wofür sie ihm arbeiten
mußten. Die Güter, welche unmittelbar dem Hofe zugeschrie
ben waren, ließ der Herr durch Leibeigene, wenn er solche
hatte, bearbeiten. Die Kirche nahm sich der Leibeigenen an;
sie war eine Zufluchtstätte für solche Unglückliche, wenn sie
harten Herren entflohen; sie erteilte ihnen den religiösen Un
terricht und die hl. Sakramente. Sie dursten sich auch ver
heiraten, doch folgten auch ihre Kinder dem Stande der Eltern.
Übrigens scheint die Zahl dieser Leute in Churrätien klein
gewesen zu sein. Aus dem Reichsurbar von 831 schon ist er
sichtlich, daß es in den Centgrafschasten Jmboden und Dru-
sustal keine Leibeigenen gab.
Sehr zahlreich dagegen war der Stand der Kolonen, das
heißt der Zinsbauern. Das Besitztum eines Kolonen hieß
Kolonie. Es gab Kolenen, die mehrere Kolonien besaßen.
Unter Kolonie wird nicht bloß ein Bauernhof verstanden,
sondern oft auch einzelne Güter zumal Wiesen. Die Kolonien
waren Bestandteile eines Hofes, einer Villa, überhaupt eines
Güterkomplexes, der einem weltlichen oder geistlichen Herrn
oder einer Kirche gehörte. Die Kolonie ward als Erblehen
verliehen gegen Entrichtung gewisser Zinse, Leistung gewisser
Dienste und Entrichtung von Naturalabgaben. Die Fron
dienste waren bemessen, das höchste Maß war 15 Tage Arbeit
im Jahre, teils im Frühling, teils im Herbst. Die Kolonen
konnten zum Kriegsdienst aufgerufen werden; daher kam es
daß, wenn der Kolone starb und Söhne hinterließ, das beste
Kleid oder das beste Stück Vieh, oder ein bestimmter Betrag
an Geld dem Herrn zu geben war als Anerkennnung, weil