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Dichter Eberhard und Heinrich dichteten manch schönes Lied.
Heinrich von Feldkirch, aus einem angesehenen Geschlechte,
das dem Stifte Chur mehrere Domherren lieferte, sang gar
liebliche Lieder. Eines (es kann zugleich als Sprachprobe jener
Zeit dienen) beginnt:
Sit die Sunne ir lichten schin
zu der kalten hat geneiget
und die vogellin
ir sanges sind geschweiget,
truric ist das herze min
man es nu wil Winter sin.
An den bluomen, die man sitzt.
ir lihter varbe
erbleichet garbe,
davon wir geschiht
leit und liebes nit.
Heinrich von Sax besingt den Frühling so:
Der daß (Lärm) wird groß,
da wir zuo einander kamen
under der linden von linden
vil wol gemuet.
Die schar vil gar
da sint, das hab ich vernomen
ir fröhlich singen, ir springen
vil sanfte tuot.
Fröude unt fröudenreich gemüete
süln wir disen sumer han:
Heide und anger, schone in blüete
da stent bluomen wol getan.
Uf der Heide und in dem walde
singen kleinin vogellin
stieße stimme manikfalde
des süln wir in fröude sin.
Andere Sänger, wie Walter von der Bogelweide, gaben
den Eindruck wieder, welchen die Zeitbegebenheiten auf sie
machten.
Da das Herzogtum Schwaben erlosch und der Bischof
von Chur die Schirm- und Reichsvogtei an sich löste, blieben
dem Reiche wenige Rechte mehr in Oberrätien oder im Gottes
hausgebiet. Doch hatte das Engadin nicht zum Herzogtum
Schwaben gehört. Das Land an der Etsch, die Grafschaft
Tirol bis Pontalt gehörten zu Italien nach einer Urkunde
des Bischofs Konrad III. von 1282. Dagegen wurde die
Grafschaft Kläven zu Schwaben gerechnet. Die Gotteshaus-
leute, deren Rechte und Dienste geregelt waren, erfreuten sich
eines besseren Loses als die der weltlichen Herren. Ähnliche
Rechte hatten die Gotteshausleute von Disentis. Zur Wah
rung dieser Rechte traten diese später in Bündnisse zusammen;
diese wurden die Wiege der rätischen Freiheit.
Bon dem alten Gaugericht blieb noch eine Spur zurück
in dem Landgericht zu Rankweil. Es war vorzüglich bestimmt,
die Rechtskenntnis lebendig zu erhalten und fortzupflanzen.
Unter den Städten in Unterrätien erhob sich Feldkirch zu be
deutendem Ansehen. Es erhielt die Rechte der Stadt Lindau;
die Bürger wurden von der Leibeigenschaft gelediget; es übte
innerhalb seines Weichbildes eigene Gerichtsbarkeit, hatte
Ammann und Rat. Die Stadt kam zu hoher Blüte und es
entwickelte sich ein kräftiger, freier Bürgersinn.