Zu diesem Buch
Wer Kontakt zu älteren Leuten hat, kann immer wie-
der feststellen, wie gut ihre Kenntnisse über Verwandt-
schaften sind und wie grosses Interesse sie dafür zeigen.
Früher hatte ein Dorfbewohner wohl einen ausgepräg-
teren Platz in der Gesellschaft als wir numerierten
Menschen von heutzutage. Vor einigen Jahrzehnten
war unser Dorf noch überschaubar, man kannte jeden
Einwohner dem Namen nach, wusste auch um seine
Eigenart, und alles was sich in unserer Gegend zuge-
tragen hatte, wurde zum Dorfgespräch. Obwohl unsere
Vorfahren in ihren landwirtschaftlichen Tätigkeiten
von morgens bıs abends sicher harte Arbeit leisteten,
es ging wohl keiner beim Mitbürger vorbei, ohne mit
ihm geredet zu haben. Man interessierte sich für den
anderen. Für bestimmte Arbeiten war man auf seine
Hilfe angewiesen und hat auch Geräte, Pferd und
Wagen beim Nachbar ausgeliehen. Unser Dorf bildete
eine Gemeinschaft von kontaktfreudigen Menschen.
In den letzten Jahrzehnten änderte sich vieles am ein-
stigen Dorfcharakter. Die Industrie brachte vor allem
der jüngeren Generation andere Lebensgewohnheiten.
Das Leben ist hastig, materialistisch und konsumgierig
geworden. Beruflicher Stress und der Sensationsregen
aus aller Welt prägen die Gesellschaft. Auch die starke
Zuwanderung von fremden Staatsangehörigen ver-
ändern das Denken der Einwohner. Man muss enger
nebeneinander leben. Es zeigt sich ein Trend zur Ab-
kapselung vom Nachbar, man schützt sich vor dem
Zunahekommen. Die Freizeit wird oft ausserhalb des
Wohnortes verbracht. Gespräche finden vielfach nur
noch unter Berufskollegen statt. Man redet über Wirt-
schaftsfragen, übers Auto und andere technische Dinge,
selten noch über das Schicksal von Personen.
Während ich Namen und Zahlen schrieb, sann ich oft
nach, wie die vergangene Zeit mit unseren Vorfahren
umging. Wer sich etwas in die Geschichte der letzten
300 Jahre vertieft, erfährt, dass Kriege, Epidemien
Hungersnöte und das Ungestüm der Naturgewalten
den Einwohner schwere Zeiten brachten. Oft wurden
Familien so hart getroffen, dass ihre Nachkommen
keine Möglichkeit zum Überleben hatten und ihr
Stammbaum sich im Nichts verliert. Sicher gab es auch
Zeiten der Freude und des Glückes, Ich glaube, jeder
Mensch hatte eine Aufgabe auf der Erde zu erfüllen,
auch wenn sein Lebensalter knapp bemessen war und
sein Erscheinen nicht viel Beachtung fand. Die Arbeiten
an diesem Buch haben mir manche besinnliche Stunden
gebracht. Gerne hoffe ich, dass dieses Buch nicht nur
ein blosses Nachschlagewerk bleibt, sondern dass diese
Stammbäume Erinnerungen wecken mögen und ver-
gyangene Zeiten wieder ins Gespräch kommen.
Vyncznet
Adolf Marxer