Volltext: Beiträge zur geschichtlichen Entwicklung der politischen Volksrechte, des Parlaments und der Gerichtsbarkeit in Liechtenstein

mässige Vertretung in den Behörden!® oder eine gerechte Vertretung 
aller Parteien. Das Liechtensteiner Volksblatt lasse jedoch das Ver- 
ständnis dafür vermissen. Zwar könne es nichts einwenden gegen die 
Behauptung, dass der Proporz eine gerechte Vertretung aller Parteien, 
d. h. also aller Volksteile gewährleisten würde. Es könne auch nichts 
einwenden gegen die weitere Schlussfolgerung, dass der Proporz zu- 
nächst eine politische Befriedung bringe und damit auch die Möglich- 
keit für ein einträchtiges Zusammenarbeiten schaffen würde.!® Dies 
bezeichnet die zweite Proporzinitiative von 1935 als ihr besagtes Ziel. 
Sie will die politischen Zustände im Lande «unter Ausschaltung des 
Persönlichen» befrieden und alle Bevölkerungskreise zu einer gerech- 
ten Anteilnahme an den Geschicken des Landes heranziehen.!”” In 
seiner Konsequenz ist der Proporz, wie das Liechtensteiner Vaterland 
am 7. Oktober 1936 schreibt, ein «Minderheitenschutz», das «Le- 
bensrecht der andern Volkshälfte».!® Darum ist der Proporz im 
Gegensatz zum Majorz ein modernes Wahlrecht. Nach den Liechten- 
steiner Nachrichten ist nämlich ein modernes Wahlrecht ein solches, 
«das der heutigen Entwicklung des staatlichen Zusammenlebens, den 
parteipolitischen Gruppierungen, die nun einmal bestehen und nicht 
so leicht aus der Welt zu schaffen sind, endlich den berechtigten An- 
sprüchen der berufsständischen Gruppen (Arbeiter, Gewerbetreibende) 
Rechnung» trägt und «allen diesen heterogenen Elementen eines mo- 
dernen Staatswesens eine gerechte Vertretung» sichert. «Ein solches 
System wäre der Proporz.»!® Proporz ist Demokratie. So gesehen, 
bildet der Proporz die «Vertrauensgrundlage» oder die «Friedensfor- 
mel».110 Die Liechtensteiner Nachrichten!!! fordern: «Um die Ver- 
trauensgrundlage zu schaffen, um ein gegenseitiges Sich-verstehen 
wieder herzustellen, ist der erste Schritt zu tun und die Uneinigkeit 
im Lande dadurch zu bannen, dass alle Bürgergruppen des Landes 
im Verhältnis zu ihrer Stärke in den Behörden vertreten sind.» Schon 
zu diesem Zeitpunkt heben die Liechtensteiner Nachrichten den Pro- 
porz auf die Ebene der «Landesinteressen» und versuchen, ihn von 
105 «Vom Proporz», L. N. Nr. 28, 3. April 1926. 
1068 «Noch kein Verständnis», L. N. Nr. 8, 26. Januar 1935. 
W7LRA Reg. 152/323; so die Begründung des Initiativbegehrens. 
108 «Unumstössliche Wahrheiten», L. Va. Nr. 82, 7. Oktober 1936. 
109 «Ein ‚modernes’ Wahlgesetz», L. N. Nr. 11, 28. Januar 1932. 
10 «Gedanken und Wünsche eines anderen Friedensmannes», L. N. Nr. 7, 24. Januar 
1934; «Geschwundenes Vertrauen», L. N. Nr. 11, 7. Februar 1934. 
11 «Geschwundenes Vertrauen», L. N. Nr. 11, 7. Februar 1934. 
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