Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Diese neue Regelung und Praxis stehen im Widerspruch zur Verfas­ sung. Der Wortlaut der Verfassung (vgl. oben zitierte Art. 49 Abs. 4 und Art. 53) ist klar. Die Verfassung kennt den Stellvertretungsfall nur für Landtagssitzungen189, nicht aber für Kommissionssitzungen oder die Teilnahme an Delegationen. Auch ein verfassungssystema­ tischer Vergleich zeigt, dass in Fällen, wo sich eine Bestimmung eben­ falls auf die Landtagskommissionen erstreckt, die Kommissionen neben dem Landtag ausdrücklich genannt sind, so bei der Regelung des parlamentarischen Schutzes vor gerichtlicher Verfolgung für Äusserungen im Landtag und in Kommissionen (Indemnität, Art. 57 Abs. 1 Verf), bei der Entschädigungsregelung für die Teilnahme an Landtags- und Kommissionssitzungen (Art. 61 Verf), bei der Sub­ stitution von Landtag und Kommissionen durch den Landesaus- schuss (Art. 71 Verf). Nach der Verfassung gibt es eine Stellvertre­ tung nur für den Landtag als solchen. Eine Verfassungslücke besteht nicht. Doch selbst wenn, im Sinne einer Arbeitshypothese, das Bestehen einer Verfassungslücke angenommen würde, bei der Annahme also, dass der Verfassunggeber die Stellver­ tretung für Kommissionen und Delegationen versehentlich nicht ge­ regelt habe und dass die Lücke durch Analogieschluss zu füllen sei, wäre die Direktwahl stellvertretender Abgeordneter in Kommissio­ nen, wie sie § 52 Abs. 1 GO regelt, verfassungswidrig. Beim Analo­ gieschluss ist «Gleiches (Gleichwertiges) gleich zu behandeln»; Nicht­ gleiches dagegen kann nicht analoger Behandlung unterzogen werden. Aber auch dann, wenn die Verfassung so auszulegen wäre, dass das, was für den Landtag rechtens ist, auch für Kommissionen Geltung haben müsse (argumentum a maiore ad minus; Schluss vom Grösseren auf Kleinere), gelangt man zum selben Ergebnis wie beim Analogie­ schluss. Was heisst dies für die Stellvertretung in Kommissionen? Die Verfassung (Art. 49 Abs. 4 und Art. 53) sieht eine Stellvertre­ tung nur im konkreten Verhinderungsfall vor («bei Behinderung»; «Ist ein Abgeordneter am Erscheinen verhindert, so hat er unter Angabe des Hinderungsgrundes...»). Die Verfassung geht aposterio­ risch vor, d. h. ein Stellvertretungsfall liegt erst dann vor, wenn nach der Wahl zum Landtag ein bestimmter Abgeordneter in einem kon- mDass in Art. 49 Abs. 4 und Art. 53 Verf nur Landtagssitzungen gemeint sind, erhellt auch aus dem Kontext (z. B. Art. 49 Abs. 1 und 2, Art. 52 Verf etc.). 68
	        

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