Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

kerungsschichten im Parlament zum Zuge kommen zu lassen. Liech­ tenstein kennt den Proporz seit 1939.96 Demgegenüber liegt eine Beeinträchtigung des Repräsentationsgedan­ kens allerdings darin, dass nach dem liechtensteinischen Wahlsystem eine Minderheit der Wähler die Mehrheit der Parlamentssitze erlan­ gen kann, während die Mehrheit der Wähler im Parlament (und da­ mit im Falle einer Koalition auch in der Regierung) in die Minderheit versetzt wird.97 Im Zweiparteienstaat, wo jeweils einer der beiden Parteien praktisch zwingend die absolute Mehrheit (aufgrund der für die Sitzverteilung massgeblichen gültigen Stimmen) zufällt, wirkt sich eine Verkehrung der Repräsentation (Minderheit der Wähler = Sitz­ mehrheit; Mehrheit der Wähler = Sitzminderheit) regelmässig anders aus, als im Mehrparteienstaat ohne Parteien mit absoluter Mehrheit, weil mit der absoluten Sitzmehrheit auch der entscheidende Einfluss auf die Politik im Staat verbunden ist. Die Idee, dass der Hauptein- fluss im Staat der Mehrheit" zustehen soll, ist der demokratischen Repräsentation und dem Proporz immanent. Die Demokratie unter­ scheidet sich von anderen Staatsformen dadurch, dass grundsätzlich die Mehrheit und nicht die Minderheit regiert. Bei den Landtagswah­ len vom 2. 2. 1978 entfielen auf die FBP mit einem Wähleranteil von mehr als 51 °/o im ganzen Lande 7 Parlamentssitze, während die VU mit einem Gesamtwähleranteil von weniger als 49 °/o 8 Mandate er­ hielt." Auf die Dauer kann ein solches System zu grossen Spannun­ gen führen, weil sich die Macht im freien demokratischen Staat nicht auf einer Minderheit etablieren lässt. ••Gesetze vom 18. 1. 1939 betreffend Abänderung der Verfassung von Art. 46, 47, 49 und 53 der Verfassung, LGB1. 1939/3, sowie über die Einführung des Verhältniswahlrechtes, LGB1. 1939/4. Beide Gesetze wurden dringlich erklärt und traten am 20. 1. 1939 in Kraft. Heute VolksrechteG, LGBl. 1973/50. •* Dies kann je nach Verschiebung der Wählerzugehörigkeit bedeuten, dass eine Partei mit einem Wähleranteil von weniger als 45 % im ganzen Lande die Sitz­ mehrheit im Parlament erlangt, wogegen die Partei mit dem Gesamtwähleranteil von über 55 
#/o im Parlament in die Minderheit gerät. Vgl. hiezu errechnete Beispiele Gerard Batliner im Landtag vom 1. 4. 1981, LProt 1981 I lOlf. M Hesse, 63: «Soweit das Volk (in der Demokratie) nicht unmittelbar an der politischen Willensbildung beteiligt ist, ist diese ebenso wie die politische Ge- samtleitung Sache .besonderer Organe'... Um so mehr kommt es darauf an, auch diese Seite politischer Ordnung demokratisch auszugestalten: die notwen­ dige politische Führung durch einzelne soll keine dem Volk aufgezwungene, sondern von der Mehrheit des Volkes anvertraute und legitimierte... Herr­ schaft sein.»; Scheuner, Mehrheitsprinzip. "Dokumente 1938—78, 513: VU-Wähleranteü 48,85 °/o; FBP-Wähleranteil 51,14 °/o, bei ameibmässiger Umrechnung der Kandidatenstimmen, d. h. im 53
	        

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