Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

Prinzipien macht die Eigenart und Stärke des liechtensteinischen Staatswesens aus. Das 
Demokratieprinzip: Nach der Verfassung von 1921 ist die Staatsgewalt, unbeschadet der Stellung und der Vorrechte des Staatsoberhauptes, «im Fürsten und im Volke verankert» (Art. 2) und das Staatsoberhaupt «übt sein Recht an der Staatsgewalt in Gemässheit der Bestimmungen dieser Verfassung und der Gesetze aus» (Art. 7 Abs. 1). Das Volk besitzt als Mitträger der Staatsgewalt direktdemokratische Rechte: das Referendum, das Recht der Gesetzesinitiative, das Recht den Landtag aufzulösen und dessen sofortige Einberufung zu begehren. Durch ein beschränkt freies Verordnungsrecht der Regierung würde das Volk in seinem Referendumsrecht (Art. 66 Verf) ausgeschaltet, da gegen Verordnun­ gen ein Referendum nicht möglich ist. Der Hinweis, dass das Volk hinterher und indirekt, auf dem Umweg über die Gesetzesinitiative, die Materie gesetz­ geberisch anpacken und schliesslich regeln kann (vgl. Pappermann, Diss., 70, 82; ders., Das Verordnungsrecht, 370) befriedigt nicht. Die Struktur der Referen­ dumsdemokratie verlangt in sich, dass das Volk direkt in einen legislatorischen Akt eingreifen und die Entscheidung an sich ziehen kann, und nicht erst hinter­ her und indirekt. Das 
Rechtsstaatsprinzip: Mit dem auch von Pappermann angenommenen Vor­ behalt, dass die Exekutive keinesfalls gegen die Verfassung und bestehende Ge­ setze Verstössen und somit auch nicht in Grund- und Freiheitsrechte ohne Ver- fassungs- und Gesetzesgrundlage eingreifen darf, ist dem 
Rechtsstaat in seiner materiellen Ausbildung Rechnung getragen. Auch die überkommene Formulie­ rung des Verwaltungsrechts, dass Verordnungen ohne übergeordnete Rechtsgrund­ lage nicht in Freiheit und Vermögen des Bürgers eingreifen dürfen (z. B. Diss., 67, 82), ist im wesentlichen verfassungsrechtlich gedeckt (Art. 32 und 34, gene­ rell Art. 28ff. Verf). Fraglich ist indessen, ob Pappermann die 
formellen Kom­ ponenten des Rechtsstaatsprinzips genügend beachtet. So gilt die Gewaltenteilung als das wichtigste organisatorische, formelle Element des Rechtsstaates. Sie dient nicht nur der Teilung der Staatsfunktionen und ihrer Zuweisung an verschie­ dene Organe, sondern mehr noch der gegenseitigen Hemmung und Kontrolle der Gewalten (Stern, Bd. I, 624). Auch der liechtensteinische Staatsaufbau ist diesem System verpflichtet. Der Staatsgerichtshof spricht von dem in der Ver­ fassung von 1921 «streng durchgeführten Grundsatz der Gewaltentrennung» (E StGH 1968/3, ELG 1967—1972, 241). 
Die Kompetenzen sind klar an die verschiedenen Organe zugewiesen, und es ist nicht ersichtlich, dass zugunsten eines Organs eine übergreifende Kompetenzvermutung besteht. Was die Regie­ rung angeht, ist sie die vollziehende Gewalt und als solche an die Gesetze ge­ bunden (z. B. Art. 78 Abs. 1, 92 Abs. 2, auch 90 Abs. 3 Verf). Soweit sie Durchführungsverordnungen erlassen kann, ist eine «allgemeine materielle öder formalrechtliche Delegation ... abzulehnen, da sie den Grundsatz der Gewal­ tentrennung verletzen würde», und die «exekutive Gewalt würde dadurch in die Rechte des Parlamentes eingreifen und dauernde Kompetenzkonflikte wären die Folge» (E StGH 1968/3, ELG 1967—1972, 243). Die Bestimmung der Ver­ fassung (Art. 65 Abs. 1), dass «ohne Mitwirkung des Landtages... kein Gesetz gegeben, abgeändert oder authentisch erklärt werden» darf, ist nicht nur rein formal zu sehen, d. h. dass der Landtag eingeschaltet werden muss, wenn ein Gesetz im formellen Sinn erlassen wird, sondern auch materiell: wenn materiell Gesetzgebung erfolgt (und dies ist auch bei. einer freien, gesetzlich nicht dele­ gierten Verordnung der Fall), ist die gesetzgeberische Mitwirkung des Landtags erforderlich. Von diesem Erfordernis ausgenommen ist lediglich die rein aus­ führende Verordnungsgebung aufgrund eines Gesetzes. Kompetenzvermutungen zu Gunsten des Nichtgesetzgebers Regierung zum Verordnungserlass (wie für die Verwaltungstätigkeit) in gesetzesfreiem, gesetzgeberisch (noch) nicht okku­ pierten Bereich hätten nicht nur «dauernde Kompetenzkonflikte» zur Folge (StGH); Durchsichtigkeit, Übersichtlichkeit,,Rechtsklarheit gehören ebenso zum System der rechtsstaatlichen Gliederung der' Gewalten. «Bestimmte Organe sol­ len das Recht erzeugen, andere es vollziehen und wieder andere im Streitfall judizieren.» (Stern, Bd. I, 625) «Voraussetzung für eine (Verordnungs-) 
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