Volltext: Zur heutigen Lage des liechtensteinischen Parlaments

6. Kapitel: Schlussbemerkungen Zwei Hauptlinien durchziehen die geschichtliche Entwicklung zum heutigen Staatswesen: die 
demokratische und die 
obrigkeitlich-herr­ schaftliche. Ebenso wie die demokratische Linie nicht genügt hatte, um das kleine Gebiet selbständig werden und bleiben zu lassen, so hatte es keine innere Ruhe gegeben, ohne die althergebrachten Rechte und die Kraft des Volkes zu berücksichtigen.309 War eine Linie eine Zeit lang wie unterbrochen, so trat sie nachher umso stärker hervor. 800 Man kann diese Linien sehr weit zurückverfolgen. Es sei in diesem Zusammen­ hang insbesondere auf die Beiträge von Alois Ospelt, Rupert Quaderer und Peter Geiger (in: LPS 8) verwiesen: In vorrömischer Zeit lebte im Raum des heutigen liechtensteinischen Staatsge­ bietes und darüberhinaus der rätische Stamm (civitas) der Vennonen. Die Räter, weitgehend freie Viehzüchter und Ackerbauern, waren genossenschaftlich orga­ nisiert, die Gewalt lag bei der versammelten Stammesgemeinde, auch in den Beziehungen nach aussen. Die rätischen Vennonen galten als anspruchslos und als wilde, gefürchtete Krieger. Ihre starke Freiheitsliebe (freie Räter) und die Selbstherrlichkeit der civitas liessen eine dauerhafte Herrschafts- und Staats­ bildung nicht entstehen. Ein Königtum oder einen Geburtsadel dürfte es nicht gegeben haben (Bilgeri, 17ff., bes. 20, 27f., 54, 56f.). Mit der Unterwerfung durch die Römer im Jahre 15 v. Chr. kam das Gebiet als Bestandteil von Churrätien für 5 Jahrhunderte unter die römische Herr­ schaft. Diese liess den Rätern nicht wenig innere Freiheit (Bilgeri, 30f.). Das Gebiet Churrätien zerfiel bis in die fränkische Zeit hinein in Sprengel (patriae), von denen jeder einen Gerichtsbezirk bildete. Der Richter und der Gerichts­ schreiber und die dem Richter als Zeugen beigegebenen curiales wurden von den freien Gerichtsgenossen gewählt. Den curiales standen auch Verwalcungs- funktionen zu, wie z. B. die Einhebung der Staatseinkünfte (Bilgeri, 52f.). «Im engeren Lebenskreis der ,patria', dem .Vaterland' im alten Sinn, ist die Mit­ sprache des Volkes deutlich zu sehen ... (Diese rätischen ,patriae' sind) als Vor­ läufer der späteren Landammannsverfassung anzusehen, die eine noch ausge­ prägtere Mitwirkung des Volkes beinhalten sollte.» (Alois Ospelt, in: LPS 8) In Churrätien unterlag auch der Bischof der Wahl durch Klerus und Volk (Bilgeri, 52). Die Römer hatten vor allem Einfluss auf religiösem (Christentum), auf kulturellem und rechtlichem Gebiet (Lex Romana Curiensis), der Sprache (rätoromanisch) und der Wirtschaft. An der Zusammensetzung des Volkes än­ derte sich nicht allzuviel, wie auch später — wie sich heute entgegen einer ver­ breiteten Annahme nachweisen lässt — trotz sprachlicher Alemannisierung die rätische Herkunft des Volkes überwiegt (Georg Malin). Unter den Goten um 500 n. Chr. besassen die als freiheitlich, eigenwillig, schwie­ rig und wehrhaft geltenden Räter ein sonst im Gotenreich nicht vorhandenes Sonderstatut mit eigenem Wirkungskreis; in früher fränkischer Zeit blieb es bei einer losen Schutzherrschaft (Bilgeri, 38f., 42, 63—65). Allmählich aber setzte sich in fränkischer Zeit die königliche Gewalt von oben durch. Mit Karl dem Grossen kam Churrätien unter die fränkische Grafschaftsverfassung (806). Der König galt als Quelle der staatlichen Gewalt, die er von Gott ableitete. Der König verwaltete sein Reich durch Beamte (Grafen), die ihre Rechte vom König erhielten (Lehen). Diese Beamten verselbständigten sich weitgehend gegenüber dem König und schwangen sich allmählich zu Landesherren kraft eigenen (statt abgeleiteten) Rechts auf. Die Landesherrschft der Grafen wurde erblich und 168
	        

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